16.05.2018 17:35 Krieg unter ziemlich besten Freunden: Gaddafi, Sarkozy und die Zerstörung Libyens
Korruption auf Regierungsebene, ein auf Lügen basierender Krieg und die Abgründe
der Machtelite: Die Verhaftung eines dubiosen französischen Geschäftsmannes
öffnet den Blick auf die skandalöse Vorgeschichte der Verwüstung Libyens. Von
Malte Rauch. [Quelle:
nds.de] JWD
Im Januar 2018 wird ein enger Vertrauter und Freund des früheren französischen
Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy auf Antrag der französischen Justiz in London
verhaftet. Mit der Verhaftung des Geschäftsmannes Alexandre Djouhri holt Sarkozy,
neben vielen anderen Untersuchungen, auch seine Vergangenheit auf dem libyschen
Kriegsschauplatz ein... weiterlesen
Quelle: RT Deutsch via Youtube |
veröffentlicht 10.04.2018
Ex-Berater: Gaddafi sagte mir, er habe
Sarkozy 20 Millionen für den Wahlkampf gegeben
In einem Exklusiv-Gespräch mit RT hat Moftah Missouri, ein
vertrauter Berater und ehemaliger Dolmetscher von Muammar Gaddafi,
dargelegt, wie der gestürzte libysche Staatschef im Jahr 2007
angeblich 20 Millionen Euro für die Wahlkampagne von Nicolas Sarkozy
gespendet hatte. Dieser wurde anschließend französischer
Staatspräsident. Missouri zufolge habe Gaddafi Sarkozy bei einem
Gespräch versprochen, ihn bei seinem Wahlkampf mit Rat und Tat zu
unterstützen. Die Vorwürfe gegen Nicolas Sarkozy gehen auf eine
Untersuchung zurück, wonach seine Wahlkampagne vor elf Jahren
teilweise von Gaddafi finanziert wurde. Am 20. März wurde Sarkozy
vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, um sich den Fragen von
Ermittlern zu stellen, die sich mit Korruption, Geldwäsche und
Steuerhinterziehung befassen. [Quelle]
Fortsetzung:
...Zugleich bietet sich der Welt ein Bild der real existierenden Politik
Europas, das so gar nicht dem Narrativ entspricht, welches den Wählern in jeder
Tagesschau allabendlich präsentiert wird. Routinierte Journalisten und
Talkshow-Politiker tun das, was die französische Justiz und Medien wie Mediapart
[1] Le Monde oder Libération seit Jahren recherchiert haben, gerne als
Verschwörungstheorie ab (dieser Begriff erspart eine Menge an Recherchen).
Tatsächlich aber ist es der Blick in einen Abgrund, dessen Konturen seit Anfang
des Jahres 2018 immer klarer hervortreten. Es ist auch ein Fallbeispiel dafür,
wie mörderische und völkerrechtswidrige Kriege auch heute noch auch bei uns mit
Propaganda-Kampagnen als notwendige Kriege, ja als humanitäre Interventionen
verkauft werden. [2]
Alexandre Djouhri, Frankreichs diskreter Handlungsreisender und Verbindungsmann
zu Gaddafi, hatte sich früher als Mitglied einer kriminellen Bande mutmaßlich
Schießereien mit anderen Banden in Paris geliefert, war an bewaffneten
Banküberfällen beteiligt und wurde schon im Jahre 1986 von einer Sonderbrigade
der Polizei für das organisierte Verbrechen dazu verhört. Er musste damals aber,
wegen Mangels an Beweisen und sehr guten Verbindungen in der Unterwelt – „Man
kennt das Gesetz des Schweigens dort“, steht im Polizeiprotokoll – laufen
gelassen werden. Er stieg rasch im zwielichtigen, aber sehr lukrativen
Discotheken- und Casino-Milieu auf, wurde dann reich mit dem Handel von
Rohstoffen in Zentralafrika.
In allen Korruptionsaffären der IV.Republik tauchte er auf: Er begleitete die
Bosse der staatlichen Erdölgesellschaft Elf, bevor diese hinter Gittern
landeten, war beim Angolagate genannten Waffenskandal Begleiter des Sohnes von
Mitterand; war Vertrauter und Begleiter des Chefs des mächtigen Wasserkonzerns
Veolia und zusammen mit dem Geheimdienstchef Sqarcini in die Attentate auf
Korsika verwickelt… All das machte ihn wohl unentbehrlich für den inneren Kreis
des „La Sarkozie“ genannten Personen- Netzwerks des Politikers.
Während Sarkozys Präsidentschaft galt Djouhri für Polizei und Justiz als
unantastbar, und es ist zu befürchten, dass er auch danach noch für die
Politiker das ist, was die großen Banken für die Staaten sind: Too big to fail –
hier: zu verwickelt mit allen französischen Regierungen, als dass man ihn dran
kriegen könnte. „Ich krieg dich an den Eiern“ drohte er einem Konzernchef schon
mal, wenn der ihn los werden wollte.
Djouhris Kriminalakte wurde immer wieder auf Betreiben höchster Stellen gelöscht
( im Fachjargon der Geheimdienste: „jungfräulich gemacht“.) Auch Präsident
Emmanuel Macron scheint für seine Politik in Afrika und im Nahen Osten nicht auf
Djouhri verzichten zu können. Während die französischen Ermittlungsrichter ihn
erfolglos vorzuladen versuchen und ihn über Interpol suchen lassen, wurde er am
6. Dezember 2017 auf ausdrücklichen Wunsch von Macrons Protokollchef im Elyssée
zu einem Empfang in der französischen Botschaft in Algier eingeladen, wo der
gerade auf Staatsbesuch anwesende Macron seine hohen Gäste, darunter Djouhri,
begrüßte.
Alexandre Djouhri ist eine Schlüsselfigur geworden für die schmutzigen Geschäfte
der Politik und damit auch für den schmutzigen Krieg in Libyen. Im September
2016 wollten die Untersuchungsrichter in Paris Djouhri zur illegalen
Finanzierung von Sarkozys Wahlkampf durch die Regierung von Muammar al Gaddafi
vernehmen, aber er war abgetaucht. Er ging zuerst nach Algerien, dessen
Staatsbürgerschaft er neben der französischen hatte und wo er unter dem Schutz
von Ali Haddad stand, einem der mächtigsten Geschäftsleute des Landes mit besten
Beziehungen zur algerischen Regierung. Weiter ging es nach Russland („Kannst du
mir einen Kontakt zu Putin herstellen“, protokollierten die Untersuchungsbeamten
aus einem abgehörten Telefongespräch von Sarkozy), in die Arabischen Emirate und
nach Quatar; Länder, in die auch die Spuren des libyschen Geldes für Sarkozy
führen werden.
Seltsame Wege des Geldtransfers auf hohem Niveau
Nach einer ersten Hausdurchsuchung bei Alexandre Djouhri in seinem Schweizer
Wohnsitz fanden die Beamten heraus, dass er seine ziemlich heruntergekommene
Villa an der Côte d’Azur für zehn Millionen Euro an die Schweizer Filiale des „Libya
Africa Investment Portfolio (LAP)“ verkauft hatte. Dieser souveräne libysche
Staatsfonds wurde von Bechir Saleh, einem Freund Djouhris, verwaltet. Saleh war
zugleich Kabinettschef von Gaddafi und offiziell für dessen Beziehungen zu
Frankreich zuständig.
Ein Schweizer Bundesgericht stellte fest, dass es sich beim Verkauf der Villa um
verdeckte Geldgeschäfte gehandelt habe, da der Preis bewusst völlig überhöht
war. Der französischen Justiz bleibt die Aufgabe, die genaue Spur der Millionen
aus dem Hause Gaddafi in den inneren Zirkel von Nicolas Sarkozy zu
rekonstruieren. Es hilft ihnen nur wenig, dass Ziad Takkiedine, der frühere enge
Freund Sarkozys und sein bevorzugter Waffenhändler, sich jetzt gegen ihn wandte
und in Talk Shows erklärte, dass er persönlich Sarkozy die Wahlkampfspenden aus
Libyen überbracht habe – in großen Aluminiumkoffern, gefüllt mit 100- und 200-
Euro Scheinen.
Andere Wege zum großen Geld
So leicht und elegant wie Frankreichs jetziger Präsident Emmanuel Macron zu Geld
kam, hatte es sein Vorvorgänger Nicolas Sarkozy nie. Macron musste die Politik
nur für ein paar Jahre verlassen, um über seine guten Beziehungen mal kurz
Bankier bei der Investmentbank Rothschild zu werden. Dort wurde er – wieder mit
seinem „carnet d’adresses“, wie man Beziehungen in Frankreich nennt – mit einem
einzigen Deal zwischen dem Nestlé- und einem US Pharma-Konzern zum Millionär.
Dann kehrte er zurück auf die politische Laufbahn – erst ins Finanzministerium
unter dem sozialdemokratischen Präsidenten Hollande und schließlich selbst ins
Präsidentenamt.
Der Versuch von Nicolas Sarkozy, reich zu werden, war schwieriger. Als er noch
Minister war und verantwortlich für die Finanzen seiner konservativen Partei,
waren seine Bemühungen, durch Schmiergelder bei Rüstungsgeschäften mit Pakistan
Geld aufzutreiben, schnell ins Visier der Justiz geraten. Möglicherweise musste
er auch damals – mit der bis heute ungeklärten Ermordung französischer U-Boot
Ingenieure – schon über Leichen gehen? Auch dazu ermittelt die Justiz seit
Jahrzehnten.
Von den ‘Säuberungen’ in den
Armenvierteln von Paris zum Krieg in Libyen.
Blicken wir kurz auf die Anfänge des Kriegs gegen Libyen, den Sarkozy in Gang
gesetzt hat. Es war im Jahr 2005 und Sarkozy war Innenminister und in der guten
Gesellschaft beliebt als einer, der durchgreift. So hatte er bei den Unruhen in
den armen Pariser Vororten behauptet, die zwei dabei zu Tode gekommenen 14- und
17-jährigen Jugendlichen seien selbst Schuld an ihrem Tod gewesen und nicht die
Polizei – fälschlich, wie sich im Nachhinein herausstellte. Er werde die
aufgebrachten Jugendlichen, meist nordafrikanischer Herkunft, die er als „racailles”
bezeichnete, als Gesindel oder Schrott, mit dem Kärcher wegsäubern (Das deutsche
Hochdruckreinigungsgerät von Kärcher mit starken Desinfektionschemikalien war in
Frankreich überall bekannt).
Was erst jetzt, im April 2018 bekannt und bei den Ermittlungsbehörden
aktenkundig wird, ist die Tatsache, dass Sarkozy am 6. Oktober desselben Jahres
den Libyschen Staatschef Mouammar al Gaddafi, der weltweit isoliert und als
Unterstützer von Aufruhr und Terror verschrien war, in Libyens Hauptstadt
Tripolis besuchte, um dessen Unterstützung bei der kommenden von ihm
angestrebten Präsidentschaftswahl zu suchen und diese von Gaddafi auch zugesagt
bekam. Protokolliert wurde das vom libyschen Diplomaten, Schriftsteller und
Frankreich-Kenner Moftah Missouri, der 25 Jahre lang Gaddafis Dolmetscher war
und jetzt in Tunis einem Reporter von Mediapart ein dreistündiges Interview
gegeben hat, in dem er über alle Treffen zwischen Sarkozy und Gaddafi
berichtete.
Nachdem der französische Innenminister Nicolas Sarkozy dem libyschen Staatschef
und Diktator (als einem der ersten) seine Absicht mitgeteilt hatte, für das
höchste Amt im französischen Staat kandidieren zu wollen, so berichtete der
Dolmetscher Missouri, beglückwünschte ihn der Revolutionsführer und sagte, es
sei „ gut, einen Freund an der Spitze Frankreichs zu haben“. Er sicherte ihm
seine Ermutigung und Unterstützung zu.
„Na ja, Unterstützung?“ fragt der Reporter von Mediapart, „ das muss ja nichts
heißen. „Doch“, sagt Missouri, „ich kenne diese diplomatischen Begriffe sehr
genau [3], wenn man einem Staatschef sagt, ich werde Sie unterstützen, dann
heißt das, ich werde ihnen Geld geben; denn Libyen kann Frankreich nichts
anderes geben, keine Parfums, keine Camemberts… keine Rafale Jagdbomber.“
Später bestätigte der Diplomat dann die Echtheit eines von Mediapart schon zuvor
veröffentlichten Dokuments, das eine Summe von 50 Millionen Euro für Sarkozys
Wahlkampf vorsah, was Sarkozy zunächst im Fernsehen als „ ungeheure Fälschung“
bezeichnete und Anzeige erstattete. Die Justiz sah das aber anders, lehnte
Sarkozys Begehren ab und hielt die Aussagen des Dolmetschers und Protokollanten
Moftah Missouri für glaubhaft, der stets mit Notizbuch, Kugelschreiber und
Brillenetui ( in dem sich ein Schweizer Mini- Präzisionstonbandgerät befand )
Zeuge aller Treffen des Libyschen Staatsoberhaupts war, sie gewissenhaft
protokollierte und im libyschen Staatsarchiv hinterlegte.
Laut 2018 veröffentlichten Ermittlungsakten und Geheimdokumenten zur
Libyen-Affaire hat Sarkozy den Philosophen Bernard-Henry Lévy gleich nach den
Beamten und Ausbildern des Auslands-Geheimdienstes DGSE nach Benghasi geschickt.
[5] Sein Auftrag unter anderem: mit den von Lévy auch publizistisch vertretenen
Rebellen und Freiheitskämpfern verbindliche Garantien für bevorzugte
Handelsbedingungen auszuhandeln – nach dem Sieg der Rebellion.
Aufschlussreich an dem Memorandum vom 2. April 2011 an die amerikanische
Außenministerin ist die Einschätzung der Kriegsmotive des französischen
Staatspräsidenten, die sich mit denen der späteren britischen
Parlamentskommission durchaus decken. Dort ist weder von humanitären Gründen
noch vom angestrebten Schutz der Bevölkerung die Rede, vielmehr von „
strategischen, wirtschaftlichen und politischen Interessen“ – und besonders von
„143 Tonnen Gold und genau so viel Silber in Libyen…, die dazu bestimmt sind,
eine auf dem libyschen Gold-Dinar basierende panafrikanische Währung
einzuführen, die den francophonen afrikanischen Ländern eine Alternative zum
bestehenden Franc CFA (Franc de la Communité Financière d’Afrique) anbieten
soll.“ [6]
Davon, dass diese neue Währung auch die von den USA und Saudi Arabien
kontrollierten Petro-Dollars auf dem afrikanischen Kontinent ablösen würde, war
in den Memoranden nicht die Rede.
Beduinenzelt und Elyséepalast
Zum Libyenkrieg schrieb ein ehemaliger französischer Diplomat, der auf beiden
Seiten des Konflikts Zeuge war: Das Unheimliche ist, dass es bei den
Verantwortlichen in Frankreich und England genau so zuging wie im Beduinenzelt
des Diktators in Libyen: Der Chef entschied und alle machten widerspruchslos
mit. Gemeint waren die Chefs Sarkozy und Cameron, immerhin Präsident und
Premierminister von europäischen Demokratien im 21. Jahrhundert. Die Ergebnisse
der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Großbritannien kamen zu dem
selben Ergebnis.
Das ist keine Lappalie und kein Einzelfall: Die Formel vom Völkermord, der in
Libyen durch eine humanitäre, militärische Intervention verhindert werden
sollte, ist ebenso nüchterne wie schreckliche Realität geworden: In den
verheerenden und sinnlosen Kriegen in Afghanistan, im Irak, in Syrien und
zuletzt auch in Libyen, sind Millionen von Menschen getötet worden, verwundet,
verarmt und in die Flucht getrieben. Die Schäden einer traumatisierten und
ruinierten Kindheit und Jugend werden die Länder – und auch Europa – noch für
Generationen heimsuchen.
Ob es der Justiz gelingen wird, die Akteure der Libyen-Connection zu verurteilen
oder nicht – schon jetzt ist umfangreich dokumentiert, dass der Krieg gegen
Libyen auch von einem Netzwerk des organisierten Verbrechens unterstützt und
ermöglicht wurde: von kleinen Gaunern, Schiebern und Waffenhändlern im Verein
mit hochoffiziellen, demokratisch legitimierten und anerkannten europäischen
Regierungen; und das tatsächlich mit allem, was zur organisierten Kriminalität
dazugehört: Korruption, Geldwäsche und deren Vertuschung bis hin zu ungeklärten
Morden unter dem Schutz von staatlichen Geheimdiensten oder möglicherweise sogar
der (französischen ) Luftwaffe, um Mitwisser auszuschalten. [7]
Zwar haben die Staatschefs Sarkozy und Cameron fast einen Privatkrieg wie zu
Kolonialzeiten vom Zaun gebrochen, aber gerade in Frankreich und in England
haben sich erstaunlicherweise zugleich drei der tragenden Säulen unserer
Demokratie als noch intakt erwiesen, wenn auch erst im Nachhinein, als es schon
zu spät war, um die Libyen-Katastrophe zu verhindern.
Die drei Säulen – so steht es in jedem Lehrbuch – sind eine freie, unabhängige
und gut informierte Presse – tatsächlich haben einige Zeitungen in Frankreich
den Krieg vom Trommelfeuer der Propaganda befreit und die Fakten, Hintergründe
und Zusammenhänge recherchiert und veröffentlicht.[8]
Ebenfalls in Frankreich hat eine unabhängige und unparteiische Justiz das
scheinbar unantastbare und international operierende Netzwerk des Präsidenten
Sarkozy zu durchleuchten versucht und den ehemaligen Präsidenten schließlich zu
einem Verhör vor den Untersuchungsrichter gebracht. Die Richter ermitteln gegen
Sarkozy wegen passiver Korruption, illegaler Finanzierung seiner Wahlkampagne
und Hehlerei und Unterschlagung libyscher öffentlicher Gelder.
Und schließlich ist da noch ein britisches Parlament, das in mehreren gründlich
erarbeiteten Untersuchungsausschüssen den Regierungen Blair im Irak und Cameron
in Libyen gravierendes Versagen bei den militärischen Interventionen
bescheinigte. [9]
Deutsche Quellen zu einem der verheerendsten jüngsten Kriege und seinen
Hintergründen – aus den gängigen Medien, dem Parlament, den Parteien, oder der
Justiz? Fehlanzeige.
Viagra, Massenvergewaltigungen und Völkermord in höchster
Potenz.
Von dem in London am 7. Januar dieses Jahres festgenommenen Alexandre Djouhri
will die Justiz und mit ihr die kritische Öffentlichkeit wissen, ob der Diktator
Gaddafi den Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2007 von Nicolas Sarkozy mit
einigen Millionen Euro mitfinanziert hatte. Und damit würde sich auch weiter
aufklären lassen, ob der Krieg, den Sarkozy zusammen mit der Nato dann im Jahre
2011 gegen denselben Gaddafi führte, nicht zur Rettung der arabischen Welt (Sarkozy)
oder zumindest zur Rettung der libyschen Bevölkerung (Bernard-Henry Lévy, Daniel
Cohn-Bendit ) geführt wurde, sondern auch zur Ausschaltung eines zu wenig
kooperierenden und lästig gewordenen Geschäftspartners, dem man noch kurze Zeit
zuvor dieselben Rafale-Kampfflugzeuge verkaufen wollte, die jetzt sein Land
bombardierten.
Schon damals bezeichneten Kenner Libyens es als sehr zweifelhaft, was Politiker,
angeschlossene Journalisten, Intellektuelle und Talkshow-Populisten verkündeten,
um den Krieg gegen Libyen vorzubereiten. Und das betraf keineswegs nur die
Horrorgeschichten über Viagra, das Gaddafi an seine Truppen ausgeteilt und ihnen
Massenvergewaltigungen befohlen haben soll.
Am prägnantesten hatte der Luxemburger Eurokrat Jean Asselborn die Grundthese
formuliert: „In Libyen ereignet sich ein Völkermord in höchster Potenz“. So oder
ähnlich wurde es auf allen Kanälen wiederholt. Frühere Kriegsgegner, die jetzt
zu Bellizisten geworden waren, den Krieg aber immer nur aus humanitären Gründen
lieben, begleiteten nun die Kriegsvorbereitungen „von links“. Auch sie lieferten
„Alternative Fakten“, die nach den Kriegen in Afghanistan, im Irak und Syrien –
um nur einige zu nennen, eine weitere menschliche Katastrophe auslösten.
„Völkermord in höchster Potenz“? Tatsächlich sind in diesen von Nato-Staaten und
Europa mitverursachten oder direkt betriebenen Kriegen über drei Millionen
Menschen getötet worden, von den noch Generationen anhaltenden Folgeschäden
abgesehen.
Krieg unter ziemlich besten Freunden.
Das Erstaunlichste war, dass 2011 ausgerechnet Präsident Sarkozy, der gerade die
besten Beziehungen zum ehemaligen „Top-Terroristen“ aufgebaut und „seinen Freund
Muhammar al Gaddafi“, durch einen prunkvollen Staatsbesuch in Paris – inklusive
Jagdgesellschaft mit französischen Geschäftsleuten – weltweit rehabilitiert
hatte, sich als erster und aktivster auf die Seite der Protestbewegung im Osten
Libyens gegen Gaddafi stellte, die dann ganz schnell zur bewaffneten Rebellion
wurde.
Auch der libysche Staatschef war ungläubig erstaunt über Nicolas („Mein lieber
Freund muss verrückt geworden sein!“), zumal seinem, wie auch dem französischen
Geheimdienst bekannt war, dass unter den aus dem Ausland zurückgekehrten
Oppositionellen und Führern des Aufstands nicht nur betuchte Geschäftsleute
waren, die ungeduldig die Abwicklung und Privatisierung der libyschen
Staatsbetriebe erwarteten, sondern auch sehr viele Djihadisten, die aus
Afghanistan und dem Irak zurückkehrten. Der prominenteste unter ihnen:
Abdelhakim Belhadj. Er war noch 2003 als islamistischer Terrorist in Afghanistan
gefangen genommen und vom CIA an Gaddafis Libyen ausgeliefert worden, wo er nach
sechs Jahren Gefängnis wieder frei kam. Auch Sarkozys andere Geschäftspartner
übernahmen jetzt den Aufstand in Bengazi: Die islamischen Diktaturen von Saudi
Arabien, Al Sisis Ägypten und besonders Katar, allesamt Todfeinde Gaddafis. Sie
lieferten Waffen und Ausbilder, besonders aber halfen sie mit einer gewaltigen
Propaganda-Offensive. Träger dieser Medien-Offensive waren ihre Fernsehsender Al
Jazeera und Al Arabya .
Deren Sendungen, wurden sonst gern als parteiisch belächelt, jetzt aber wurde
jeder Bericht von ihnen über Libyen ungeprüft von den europäischen und
amerikanischen Medien übernommen. Intellektuelle im Dienste Sarkozys, allen
voran der Philosoph und Autor Lévy, ergänzten diese Berichte mit humanitären
Aufrufen. Empört verglich er die Einsätze der libyschen Regierungstruppen gegen
die Aufständischen mit den Massenmorden der Serbischen Soldateska in Srebrenica
an wehrlosen Zivilisten.
Eine eilig in London neu gegründete Libysche Liga für Menschenrechte berichtet,
dass bereits 6000 Menschen vom Regime Gaddafi umgebracht worden seien; 3000 in
der Hauptstadt Tripoli und 2000 in Bengazi. In Wirklichkeit, so schon der
amerikanische Generalstabschef Admiral Michael Mullen bei einer Anhörung des
Kongresses, gab es keinerlei Bombardierungen auf die Zivilbevölkerung durch die
Luftwaffe Gaddafis; es gäbe auch keinerlei Aufnahmen solcher Bombardements. Und
doch schreibt unter anderem Lévy in seinem Buch „La guerre sans l’aimer – Der
Krieg ohne ihn zu lieben“, dass diese Aufnahmen der entscheidende Auslöser für
ihn gewesen seien, nach Bengazi zu gehen und sich für die militärische
Intervention einzusetzen .
Sarkozys Außenminister
Alain Juppé in den Schuhen von Colin Powell.
Ergebnis und Höhepunkt all dieser Bemühungen war der Resolutionsentwurf vor dem
Sicherheitsrat, den Frankreichs Außenminister Alain Juppé vor der UNO in New
York vortrug. Er ermahnte die Völkergemeinschaft, sofort einzuschreiten, bevor
es zu spät sei und Gaddafi weitere Tausende von friedlichen und
freiheitsliebenden Demonstranten bei „ der Rückeroberung der befreiten Städte“
“massakriere“. Natürlich wußte der Außenminister Sarkozys da schon, dass das
nicht stimmte, dass es um bewaffnete Aufständische gegen die Gaddafi Regierung
ging, die aus aller Herren Länder und allen möglichen islamistischen
Gruppierungen kamen. Er mußte es wissen, denn der Auslandsgeheimdienst seines
eigenen Landes begleitete und unterstützte diesen Aufstand mit militärisch
operierenden Agenten der DGSE Aktivdivision.
Eine UNO-Untersuchungskommission und die (interessierte) Welt erfuhr allerdings
erst im Nachhinein, dass es zu diesem Zeitpunkt bei den Unruhen in der
Hauptstadt Tripolis nicht 3000 sondern 200 Tote gegeben hatte, darunter zwei
Frauen. Und dass es sich auch nicht um unbewaffnete Demonstranten handelte. Im
Bericht des britischen Parlaments heißt es: „Die Diskrepanz zwischen männlichen
und weiblichen Opfern zeigt, dass die Truppen des Gaddafi Regimes auf männliche
Kämpfer in diesem Bürgerkrieg zielten und nicht wahllos Zivilisten angegriffen
haben. Allgemein kann man sagen, dass in der schrecklichen Bilanz von 40 Jahren
Menschenrechtsverletzungen durch Mouammar Gaddafi keine Angriffe größeren
Ausmaßes auf die Zivilbevölkerung vorkamen.“
Doch keiner schien sich 2011 an den amerikanischen Außenminister Colin Powell zu
erinnern, der 2003 vor demselben Gremium mit gefälschten Informationen und
Dokumenten den Irak-Krieg seines Präsidenten George W. Bush begonnen hatte –
„sehr schmerzlich“ sagte Powell später, „ ein Schandfleck in meiner Karriere“.
Nach einer pathetischen Darstellung der „Humanitären Werte„, die Sarkozys
Frankreich und Europa vertrete, rief Außenminister Juppé am 17.März 2011 den
Sicherheitsrat auf, sofort zu handeln: „ Jeder Tag, jede Stunde, die wir
verstreichen lassen, erhöht das Gewicht der Verantwortung, die wir auf unseren
Schultern tragen. Passen wir auf, dass wir nicht zu spät kommen.“
Die Dampfwalze der weltweiten Propaganda, die sich nicht nur auf gefälschte
Informationen sondern auch auf Gaddafis bombastische und skurrile Rhetorik
stützen konnte, war so beeindruckend, dass sich selbst die Veto-Mächte Russland
und China nicht „ihrer Verantwortung“ entziehen wollten. Sie verzichteten
allerdings auf ihr Veto nur unter der Bedingung, dass die militärischen Aktionen
lediglich dem Schutz der Bevölkerung dienen sollten und nicht dem Sturz des
Regimes Gaddafi. Und dass keinerlei ausländische Militärs nach Libyen entsandt,
Militärs am Boden in die Aktionen der Aufständischen eingreifen oder dass Waffen
dorthin geliefert werden.
In diesen letzten Punkten wurde das UNO-Mandat bereits bei der Verabschiedung
gebrochen. In den anderen Punkten endgültig im Verlauf der monatelangen
Bombardierungen und militärischen Interventionen der NATO, was die von der UNO
legitimierte Humanitäre Intervention in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
verwandelte .
Obama spricht von einer „Shit-Show“ in Libyen
Der Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments (s.o.) veröffentlichte am
14. September 2016 seinen vernichtenden Bericht zur militärischen Intervention
in Libyen im Jahr 2011. Nach dem Studium aller verfügbaren Informationen und
Dokumente und der Anhörung aller möglichen Politiker, Militärs und
Wissenschaftler, kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass die Kriegshandlungen
auf irrtümlichen Annahmen aufgebaut waren und dass besonders die Gefahr eines
Massakers an der Zivilbevölkerung durch Gaddafi in der Stadt Bengazi im Februar
und März 2011, was das Hauptargument für den Krieg war, „überbewertet“ war und
sich auf keinerlei belastbare Informationen stützen konnte. Der damalige
konservative Premier David Cameron sei ohne eigene Informationen und ohne
parlamentarische Diskussionen blind dem französischen Präsidenten Sarkozy
gefolgt.
Der konservative Abgeordnete im Ausschuss, Crispin Blunt, fasste das Ergebnis
der Untersuchung in einem wichtigen Punkt zusammen: „Wenn die Hauptaufgabe der
militärischen Intervention die dringende Notwendigkeit des Schutzes der
Zivilisten von Benghazi war, so wurde dieses Ziel im März 2011 in weniger als 24
Stunden erreicht… Das heißt, dass eine begrenzte Intervention zum Schutz von
Zivilisten in eine opportunistische Politik abgeglitten ist, um mit
militärischen Mitteln das Regime auszuwechseln.“ Der Ausschuss zitiert auch den
amerikanischen Präsidenten Obama, der den Krieg als „Shit Show“ bezeichnet hatte
und als den größten Fehler seiner Amtszeit.
Auch mit dem Chilcot Report hatte man in England gezeigt, wie man die
mörderischen Verschwörungstheorien, die Kriege vorbereiten, bekämpfen kann: Sir
John Chilcot hatte mit seiner Kommission sieben Jahre lang Zeugen befragt,
150.000 Dokumente ausgewertet und 10 Millionen britische Pfund für die
Recherchen ausgegeben. Das Ziel war es, die wahren Zusammenhänge zum Krieg gegen
den Irak aufzudecken, aber auch zum Krieg gegen Libyen.
Ein „Schurke“ wird erschlagen, ein anderer „exfiltriert“
Im Jahre 2011 wütet der französisch-europäische Krieg in Libyen, und Gaddafi
wird unter Brüllen von islamistischen Kampfrufen medienwirksam vor laufenden
Kameras erschlagen oder erschossen. Nach der UNO-Resolution sollte er weder
beseitigt noch gar erschossen werden und selbst die sogenannte Gegenregierung in
Bengazi wollte ihn an den Internationalen Gerichtshof überstellen – lebend.
Dennoch feierten Sarkozy, Cameron und andere Europapolitiker dieses zweifelhafte
und wie sich herausstellte sehr vorläufige Ende des Krieges begeistert als
„Mission Accomplished“.
Zur gleichen Zeit war auch Alexandre Djouhris Freund und Gaddafis Kabinettschef
Bechir Saleh von libyschen Rebellen verhaftet worden. Er konnte dann aber
ungehindert nach Tunesien entkommen, wo er von Djouhri schnellstens aus dem Land
geschafft wurde, bezeichnenderweise mit Hilfe des französischen Botschafters in
Tunis und Bernard Squarcini, inzwischen Chef des französischen
Inlandsgeheimdienstes, und ebenfalls Mitglied des inneren Kreises von Sarkozy.
„Warum wurden solche sensiblen Missionen einem ehemaligen Mitglied der Unterwelt
anvertraut?“, fragte die Zeitung „Le Monde“ zur Rolle Djouhrys auch bei diesem
Sondereinsatz. „Sollte er Bechir Saleh zugleich beschützen und beseitigen,
diesen Träger eines Teils der französisch-libyschen Geheimnisse, die als immer
übler riechender Gestank aus dem Untergrund hervortreten ?“
Unbehelligt können Alexandre Djouhri und Bechir Saleh nach Paris reisen (im
Jargon des französischen Geheimdienstes: „exfiltriert“), dann sicherheitshalber
weiter ins afrikanische Niger und schließlich definitiv nach Südafrika. Da hilft
auch kein Haftbefehl von Interpol gegen Bechir Saleh wegen der Entwendung
libyscher Staatsgelder.
Ein toter Ölminister schwimmt in der Donau.
Immerhin blieb Bechir Saleh, der jetzt in Johannesburg residiert, das Schicksal
seines Freundes und früheren Kollegen, des Kabinettschefs und Ölministers von
Gaddafi, Choukri Ghanem, erspart. Dessen Leiche wurde in Wien in der Donau
schwimmend gefunden, kurz bevor er zu den Geldströmen des alten Regimes befragt
werden konnte. [10] Offizielle Todesursache: Herzinfarkt. In einer der E-Mails
an Hillary Clinton schrieb die österreichische Polizei und Interpol, dieser Tod
sei ihnen in hohem Maße suspekt. Was Gaddafis Öl- und Premierminister hätte
aussagen können, haben niederländische Polizisten bei einer ihrer
Hausdurchsuchungen gefunden und an die französische Justiz weitergeleitet: In
seinen Notizen hatte Choukri Ghanem drei Überweisungen zur Finanzierung von
Sarkozys Wahlauslagen mit einem Gesamtbetrag von 6,5 Millionen Euro schriftlich
dokumentiert.
Ein mit dem französische Geheimdienst und den Behörden Gaddafis gleichermaßen
kooperierender Chef einer privaten Sicherheitsfirma, der viel Insiderwissen
hatte, aber sich nicht zum Schweigen verpflichten ließ, wurde in Benghazi auf
offener Straße von einem maskierten Kommando erschossen. Offizielle Begründung:
ein Unfall [11].
Der Diplomat und Dolmetscher Gaddafis, Moftah Missouri ( s.o.), ist sich seines
Lebens wohl auch nicht mehr sicher. Nachdem Sarkozy im April 2018 von der
Polizei 48 Stunden lang verhört worden war und anschließend triumphierend im
französischen Fernsehen TF1 auftrat, hatte er dabei auch Missouri, wie alle
anderen Zeugen gegen ihn, beschimpft. Missouri protestierte gegen die
diffamierenden und drohenden Äußerungen Sarkozys: „Man bedroht nicht den
Schreiber oder Zeugen“, schrieb er und bat darum, so schnell wie möglich vor
einem Untersuchungsrichter als Zeuge vernommen zu werden, damit seine Aussagen
auch gerichtsverwertbar protokolliert würden.
Tatort: Das Zentrum der Machtelite
Die Spuren, denen die französische Justiz nachgeht, führen immer tiefer ins
Zentrum der französischen Machtelite, deren Mitglieder sich jetzt vor aller
Öffentlichkeit gegenseitig denunzieren, um die eigene Haut zu retten.
Ein Beispiel: Nachdem Mediapart das Dokument über die Finanzierung Sarkozys
veröffentlicht hatte und seine Echtheit vom Dolmetscher Gaddafis bestätigt
wurde, rief der ehemalige französische Präsident den Chef des amtierenden
Inlandgeheimdienstes, Patrick Calvar an, als sei er noch dessen Dienstherr und
bat um Informationen über den Libyer und auch über den Fortgang der juristischen
Ermittlungen gegen ihn selbst. „ Hält Patrick Calvar noch zu uns ?“ fragte
Sarkozy am Telefon einen Vertrauten. Tat er wohl nicht und gab es an die Justiz
weiter.
Das veranlasste die Untersuchungsrichter, fortan Sarkozys Mobiltelefon abhören
zu lassen. Dieser bekam Wind davon und besorgte sich wie in einem Krimi ein
neues Handy und meldete es unter dem falschen Namen Paul Bismuth an. Jetzt
freier redend aber immer noch angezapft, protokollierten die Beamten die
Bemühungen des Ex-Präsidenten, Spuren zu verwischen, Lecks und Verräter in
seinen Kreisen zu erkennen, um sie auszuschalten.
Unter anderem verdächtigten er und seine Leute den Verbündeten und hohen
Verantwortlichen beim Airbus- und Rüstungskonzern EADS, Phillipe Bohn, zuständig
für Libyen und andere Waffenverkäufe in Afrika, den Sarkozy mit einem seiner
Getreuen persönlich aufsuchte, um den Manager zur Rede zu stellen. Die
Polizisten des zentralen Ermittlungsbüros im Kampf gegen die Korruption kamen
dann gleich als nächste zu Bohn und veranlassten bei ihm eine Hausdurchsuchung;
doch da waren schon alle Spuren verwischt.
1,5 Millionen Euro im Koffer aus Tripolis.
Als Ziad Takieddine am 5.März 2011 nach einem Besuch bei Gaddafi in Tripolis am
Pariser Flughafen Bourget mit 1,5 Millionen Euro im Koffer verhaftet wurde,
erklärt er, dass bei ihm alles legal ablaufe und dass sie besser mal beim
ehemaligen Generalsekretär des Präsidentenpalastes, Claude Guéant, nachschauen
sollten. Dieser habe ihn wohl verpfiffen, um seine eigene Rolle bei der
Finanzierung von Sarkozys Wahlkampf zu verschleiern. Und in der Tat, die Beamten
werden fündig: Claude Guéant, der höchste Beamte in der Regierung unter
Präsident Sarkozy erhielt im Jahre 2008 eine Zahlung von 500 000 Euro aus
Malaysia. Wofür ? Ohne die Untersuchungsrichter wirklich zu überzeugen, erklärt
er, zwei wertvolle Gemälde flämischer Meister aus seinem Besitz verkauft zu
haben.
Es hat die Justiz dann einige Mühe gekostet, zu ermitteln, wo die Zahlung für
die auf einen wesentlich geringeren Wert geschätzten flämischen Meister herkam:
von einem der zahlreichen Konten des saudiarabischen Milliardärs Khaled Bugshan,
dessen Schweizer Niederlassung von keinem anderen als von Alexandre Djouhri
verwaltet wurde. Peinlicherweise musste dann auch ein politischer Gegner
Sarkozys, der frühere französische Premierminister Dominique de Villepin
„erschrocken“ feststellen, dass eine „ganz normale Zahlung“ für in diesen
Kreisen übliche „Beratertätigkeit“ von einigen Hunderttausend Euro just von
derselben Unternehmensgruppe des saudischen Milliardärs Bugshan kam. Er wolle
das so schnell wie möglich aufklären, versicherte der Politiker den Ermittlern –
„brutalstmöglich“ sozusagen.
Den Besuch Sarkozys – als französischer Innenminister – bei Mouammar Gaddafi in
Tripolis hatte Ziad Takkiedine vorbereitet, der dann auch, zusammen mit Claude
Guéant und Brice Hortefeux die konkreten Verhandlungen zur Unterstützung des
französischen Präsidentschaftskandidaten geführt hat. Am gefährlichsten für die
Aufklärung der Zusammenhänge der Libyen-Afffaire ist wohl die andere, die
libysche Seite dieser Gespräche. Neben Moussa Koussa, dem Chef des
Auslands-Geheimdienstes und Bachir Saleh, dem Sekretär für auswärtige
Angelegenheiten des Staatschefs (s.o.), saß da auch Abdallah Senoussi, der
gefürchtete Chef des militärischen Geheimdienstes und Schwager Gaddafis.
Er war 1999 von einem französischen Gericht in Abwesenheit zu einer lebenslangen
Haftstrafe verurteilt worden, wegen seiner Beteiligung an einem Bombenattentat
auf ein Verkehrsflugzeug der französisch-afrikanischen Fluglinie UTA. Gaddafi
lag sehr viel daran, dass die französische Justiz die Sache nicht weiter
verfolgte. Dass ausgerechnet dieser weltweit zum Symbol für das „terroristische
Regime
Gaddafi„ bekannte Senoussi jetzt für die Vergabe von Geldern an ausländische
Politiker – und damit an Sarkozy – zuständig war, musste vom Kreis um Sarkozy
wie eine zweite Bombe empfunden worden sein, die jederzeit explodieren könnte –
nicht in der DC10 Maschine der UTA sondern mitten im Büro des ehemaligen
französischen Präsidenten. [12]
Kurzer Prozess im Bombenhagel
Neben diesen Geschäften unter Politikern, deren Geldgier sie zu den kühnsten
Taten beflügelte, ging es aber auch noch um seriöseres, um Realpolitik, genauer
um eine Gefährdung der real existierenden Ordnung der freien Welt.
Bei aller Liebe Gaddafis zu mörderischen Attentaten und abenteuerlichen
Umsturzversuchen in aller Welt, die durchaus mit denen eines Henry Kissinger in
Chile und anderen Ländern mithalten konnten, hatte er eine noch viel
ausgeprägtere Leidenschaft: Er wollte Afrika unter libyscher Führung vereinen.
Er glaubte, damit endlich die Befreiung vom Kolonialismus vollenden zu können,
so wie er einst als junger Offizier Libyen von seinem korrupten König, den
englischen und amerikanischen Militärbasen und der Herrschaft der Ölmultis
befreit hatte. Dazu verwendete er jetzt einen Großteil der schier endlosen
Reichtümer seines Landes.
Und er hatte zunehmend Erfolg damit! Im Gegensatz zu der von Saudi-Arabien und
den Emiraten beherrschten Arabischen Union, die dann den Libyenkrieg
unterstützte, hatte die Afrikanische Union Muhammad Gaddafi zu ihrem
Vorsitzenden gemacht und sich während seines Konfliktes mit den Aufständischen
im Osten Libyens leidenschaftlich für eine Verhandlungslösung eingesetzt. Diese
Initiativen zur nicht- kriegerischen Konfliktlösung waren schon recht weit
vorangekommen. Der Diktator war wohl auch zur Rettung seines Afrika-Projekts zu
Zugeständnissen bereit gewesen. Doch dies ging dann ziemlich schnell im
französischen Bombenhagel und dem der Verbündeten unter.
Statt Projekte für Afrika, Krieg, Chaos und ein weiterer
Failed State.
Neben einem eigenen afrikanischen Nachrichten-Satelliten (AFSAT), den
hauptsächlich Libyen finanzierte und der die Ausgaben von jährlich 500 Millionen
Dollar für die Nutzung eines Europäischen Satelliten ablösen sollte, stand die
Realisierung einer afrikanischen Währungsunion unmittelbar bevor. Ab 2011, genau
dem Jahr der Bombenangriffe auf Libyen, sollte sie durch die Gründung einer
afrikanischen Investitionsbank mit Sitz im libyschen Sirte begonnen werden und
die Gründung des afrikanischen Währungsfonds mit Sitz in Yaounde, Kamerun, sowie
die Gründung einer afrikanischen Zentralbank im nigerianischen Abuja stand bevor
zwecks Einführung einer gemeinsamen Währung, die nicht mehr auf dem labilen und
extrem krisenanfälligen Dollar basieren würde, sondern auf dem libyschen Gold.
Die neue afrikanische Währung, die dann im französisch-europäischen Bombenhagel
unterging, wie auch die weltweit effektivste staatliche Bewässerungsanlage, das
Great-Man-Made-River-Project (GMMR), das ebenfalls zerstört wurde, sollten ganz
Afrika unabhängig machen, die neue Währung vor allem den in weiten Teilen
Afrikas offiziell geltenden Franc CFA (Communauté Financière d’Afrique) ablösen.
Die Herrschaft der französischen Währung wird jetzt weiter bestehen bleiben; sie
konnte freilich schon vorher nicht ohne den Einsatz des französischen Militärs
und einer Reihe von Geheimabkommen mit anderen afrikanischen Diktatoren
durchgesetzt werden. Experten haben berechnet, dass seit der Unabhängigkeit zur
Durchsetzung der seit etwa 1960 unveränderten Vorherrschaft Frankreichs genau
fünfzigmal die französische Armee eingegriffen hat. Die Truppenbesuche der
jeweiligen französischen Präsidenten in Afrika – auch Präsident Macron besuchte
die Truppen in Mali als seine erste feierliche Amtshandlung – erfreuen sich
großer Beliebtheit bei der europäischen Bevölkerung.
Der gigantische Gold- und Silberschatz Libyens, ebenso wie die Milliarden des
Staatshaushalts sind mit der Zerstörung des Staates spurlos verschwunden oder
über Treuhandbanken ordnungsgemäß abgewickelt worden. Nicht verschwunden sind
die unendlichen Massen an modernsten Waffen, darunter schultergestützte
Luftabwehr-Raketen, so genannte Manpads, die durch das Abschießen von
Passagierflugzeugen den zivilen Flugverkehr der ganzen Region lahmlegen können.
Sie sind in die Hände von kriminellen Banden geraten, von Drogen-und
Menschenhändlern, von Warlords und religiösen Fanatikern aber auch von
Widerstandsgruppen, die seit Jahrzehnten gegen die von Frankreich betriebene
Ausbeutung der Bodenschätze, zum Beispiel der Uranvorkommen in Niger, kämpfen.
Die International Crisis Group schätzt, dass in Libyen etwa 100 Milizen
existieren. Libyen ist außerdem zur Brutstätte des IS geworden, Anrainerstaaten
wie Tunesien, Algerien, den Tschad oder Ägypten werden destabilisiert und zu
enormen polizeilichen und militärischen Anstrengungen bei der Grenzsicherung
gezwungen – wieder auf dem Rücken der Bevölkerung.
Malte Rauch lebt und arbeitet als Filmemacher in Frankfurt am Main. Eine längere
Version des Textes ist bereits auf dem Blog Business Crime Control erschienen.
[«1] Mediapart ist eine äußerst erfolgreiche Internet Zeitung, die ein
ehemaliger Redakteur von Le Monde gegründet hat, nachdem sich einige Millionäre
am Kapital von Le Monde und von Libération beteiligten und Einfluss bekamen. Bei
mediapart schreiben inzwischen einige der besten ehemaligen Journalisten von Le
Monde, Libération und dem Nouvel Observateur sowie andere jüngere Autorinnen,
denen die großen französischen Zeitungen nicht mehr unabhängig genug sind.
[«2] Rony Brauman, Beobachter und Chronist beim Eichmann Prozess in Israel,
später Gründer und Präsident der Organisation Ärzte ohne Grenzen weist in seinem
neuen Buch Les Guerres Humanitaires, édition Textuel, 2018 neben vielen anderen
Beispielen nach, dass es die Bombardierungen der eigenen Bevölkerung durch
Gaddafi, wie sie als Kriegsgrund genannt wurden, nie gegeben hat.
[«3] Missouri wies darauf hin, dass Libyen wie auch europäische Staaten andere
Länder finanziell unterstützte. So habe Nelson Mandela die finanzielle
Unterstützung durch Gaddafi für die wichtigste bei der Entstehung des
unabhängigen Südafrikas bezeichnet. Mandela war lebenslang mit Gaddafi eng und
freundschaftlich verbunden.
[«4] James Comey: Größer als das Amt- Auf der Suche nach der Wahrheit, Droemer
Verlag, Mai 201
[«5] Bericht u.a. in der französischen Wochnzeitung Le Nouvel Observateur vom
9.1.2016 : In den vom U.S. Senat veröffentlichten E-Mails der Außenministerin
Hillary Clinton wird Lévy als Gesandter des französischen Präsidenten bezeichnet
(nicht ohne Spot über diesen „selbsternannten Lawrence von Arabien“ , der wie in
Woody Allens Film „Zelig” immer neben Sakozy und Cameron auftauche.)
[«6] Der Franc CFA wird von der französischen Zentralbank verwaltet – ohne jede
reale Mitsprache der afrikanischen Länder – und ermöglicht seit über einem
halben Jahrhundert den billigen Zugriff auf die für Frankreich und Europa
lebensnotwendigen Rohstoffe.
[«7] Verschiedene Quellen berichten, dass französische Kampfflugzeuge nicht nur
die Autokolonne des fliehenden Gaddafi beschossen und damit den islamistischen
Milizen am Boden den Weg zu seiner Ermordung gewiesen haben, sondern dass sie
auch die Wohnung seines Geheimdienstchefs al-Senoussi mit Raketen zerstörten.
Senoussi, der ein zentraler Zeuge bei den Deals zwischen Frankreich und Libyen
ist, hatte aber die Wohnung bereits verlassen und lebt.
[«8] Mediapart hat seit seiner Gründung vor zehn Jahren über 60 Recherchen und
Hintergrundberichte sowie entscheidende bis dahin geheim gehaltene Dokumente
veröffentlicht. Das Buch dazu: Fabrice Arfi, Karl Laske AVEC LES COMPLIMENTS DU
GUIDE, Sarkozy-Khadafi, l’histoire secrète, Fayard, 400 Seiten.
[«9] Report by the forreign affairs select commitee, 14. September 2016: Libya:
Examination of intervention and collapse and the UK’s future policy options.
[«10] Auch auf Bechir Saleh ist inzwischen in Johannesburg ein Attentat verübt
worden, das er nur knapp und in kritischem Zustand überlebt hat.
[«11] Pierre Marziali, ehemaliger französischer Militär hatte eine private
Militärfirma gegründet, von denen es einige hundert im Umfeld von
Kriegshandlungen gibt. Ein Freund und Kollege Marzialis, Robert Dulas, glaubt,
dass es eine Auftrags-Hinrichtung war, ausgeführt von vermummten Männern der
Brigade 17 des Kommandeurs Abdelhakim Belhadj (s.o.). Sein Buch „Mort pour la
Francafrique“ versucht das, zusammen mit einer Journalistin, zu dokumentieren.
Die Witwe von Marziali hat bei der Staatsanwaltschaft Narbonne Anzeige gegen
Unbekannt erstattet – wegen Mordes.
[«12] Der Internationale Gerichtshof in Den Haag wollte Abdallah Senoussi den
Prozess machen, doch die Libyer geben ihn nicht her. Jetzt soll er von einem
libyschen Gericht verurteilt werden.
[«13] Präsident Macron wie auch andere europäische Regierungen setzen jetzt auf
den libyschen General Khalifa Haftar, um die Früchte des Krieges von 2011 zu
ernten. Haftar hat im Osten des Landes seine eigene Nationale Libysche Armee (ANL)
gegründet, mit der er gegen den islamistischen Terrorismus kämpft aber auch
gegen andere Fraktionen und Milizen im Rest Libyens. Macron zeigte sich
demonstrativ mit Haftar in herzlicher Umarmung beim französisch-libyschen
Gipfeltreffen in Saint Cloud; da waren die Klagen von Flüchtlingen aus Libyen
gegen den General wegen Folter, willkürlichen Erschiessungen und Terrorismus
gegen die Bevölkerung bei der französischen Generalstaatsanwaltschaft noch nicht
eingegangen. Der selbsternannte Generalfeldmarschall, der „keine Gefangenen
macht (…), weil es zu wenige Gefängnisse gibt“ wird inzwischen auch vom
Internationalen Gerichtshof in Den Hag (CPI ) der Kriegsverbrechen verdächtigt.
29.10.2017 00:00 Denkschrift zu Libyen: Lügen über den Staat, seine Führung und die Armee
Im Namen Allahs, des Gütigen und Erbarmenden. - Diese Denkschrift hat das Ziel, einige Tatsachen klarzustellen, die in den
letzten sechs Jahren zum Leiden des libyschen Volkes führten. Dr. Saif al-Islam,
Sohn von Muammar al-Gaddafi, beschreibt die furchtbaren Verbrechen, die am
libyschen Volk verübt wurden... [Quelle:
voltairenet.org] JWD
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26.10.2015 00:00 Das politische Testament Muammar al-Gaddafis
[...] In einem ersten Ausschnitt die düstere Prophezeiung,
die der ehemalige libysche Anführer einige Monate vor seinem Tod in Bezug auf
die Flüchtlingsströme nach Europa in einem offenen Brief schrieb. Diese wurde
von der russischen Tageszeitung Zavtra im Mai 2011 publiziert. Anschließend
hören Sie ungekürzt das sogenannte „Politische Testament Muammar al-Gaddafis“ –
das er am 5. April 2011 verfasst hat. Beides erschien, nachdem am 19. März 2011
die Luftangriffe der NATO begonnen hatten und Libyen systematisch zerbombt
wurde. [Quelle: kla.tv] JWD
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24.10.2015 02:15 Die gezielte Vernichtung Libyens –
ein Augenzeugenbericht 22.10.2015
Vorgestern am 20. Oktober 2015 jährte sich der 4. Todestag
des ehemaligen Staatsoberhaupts von Libyen, Muammar al-Gaddafi. Auf der Flucht
vor den NATO-Bombardierungen wurde Gaddafi von Rebellen brutal ermordet. Aus
Videos seiner Festnahme geht hervor, dass Gaddafi vor seinem Tod misshandelt und
verletzt wurde. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den
Haag geht davon aus, dass es sich bei Gaddafis Tod um ein Kriegsverbrechen
handeln könnte. Die Ermittlungen würden jedoch von der neuen Regierung
behindert. [Quelle: kla.tv] JWD
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19.10.2015 00:00 Retro-Kolonisierung:
Warum Frankreich die Arabische Republik Syrien stürzen will
Im Rückgriff auf die Geschichte der französischen
Kolonisierung Syriens und im Vergleich mit dem Vorgehen der Präsidenten Sarkozy
und Hollande stellt Thierry Meyssan die Absicht einiger französischer Politiker
der Gegenwart heraus, das Land wieder zu kolonisieren – eine anachronistische
und kriminelle Haltung, die aus dem heutigen Frankreich einen auf der Welt mehr
und mehr verhassten Staat macht. [Quelle:
voltairenet.org]
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05.03.2012 01:30
Eurokrise ohne Ende: Merkel & Sarkozys neoliberaler Generalangriff
(im Krieg) gegen die Sozialstaatlichkeit
Ver.di - Der Bundesvorstand von Verdi hat über den gewerkschaftseigenen
Wirtschaftspolitischen Informationsdienst am 02.03.2012 eine Untersuchung zu den Ursachen der Eurokrise veröffentlicht. [Quelle:
wipo.verdi.de]
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29.05.2011 15:30
Führungswechsel beim IWF inszeniert,
politische Korruption ohne Ende?
Wie IWF-Chef Strauss Kahn, bislang einer der mächtigsten
Männer der Welt, weil unliebsam geworden aus dem Weg geräumt
wird. Prof. Michel Chossudovsky untersucht die wenig
bekannten Verbindungen zwischen der New Yorker Justiz und
dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy.
JWD
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