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16.05.2018  17:35
Krieg unter ziemlich besten Freunden:
Gaddafi, Sarkozy und die Zerstörung Libyens

Korruption auf Regierungsebene, ein auf Lügen basierender Krieg und die Abgründe der Machtelite: Die Verhaftung eines dubiosen französischen Geschäftsmannes öffnet den Blick auf die skandalöse Vorgeschichte der Verwüstung Libyens. Von Malte Rauch. [Quelle: nds.de] JWD

Im Januar 2018 wird ein enger Vertrauter und Freund des früheren französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy auf Antrag der französischen Justiz in London verhaftet. Mit der Verhaftung des Geschäftsmannes Alexandre Djouhri holt Sarkozy, neben vielen anderen Untersuchungen, auch seine Vergangenheit auf dem libyschen Kriegsschauplatz ein... weiterlesen

 



Quelle: RT Deutsch via Youtube  |  veröffentlicht 10.04.2018

Ex-Berater: Gaddafi sagte mir, er habe
Sarkozy 20 Millionen für den Wahlkampf gegeben


In einem Exklusiv-Gespräch mit RT hat Moftah Missouri, ein vertrauter Berater und ehemaliger Dolmetscher von Muammar Gaddafi, dargelegt, wie der gestürzte libysche Staatschef im Jahr 2007 angeblich 20 Millionen Euro für die Wahlkampagne von Nicolas Sarkozy gespendet hatte. Dieser wurde anschließend französischer Staatspräsident. Missouri zufolge habe Gaddafi Sarkozy bei einem Gespräch versprochen, ihn bei seinem Wahlkampf mit Rat und Tat zu unterstützen. Die Vorwürfe gegen Nicolas Sarkozy gehen auf eine Untersuchung zurück, wonach seine Wahlkampagne vor elf Jahren teilweise von Gaddafi finanziert wurde. Am 20. März wurde Sarkozy vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, um sich den Fragen von Ermittlern zu stellen, die sich mit Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung befassen. [Quelle]
 


Fortsetzung:

...Zugleich bietet sich der Welt ein Bild der real existierenden Politik Europas, das so gar nicht dem Narrativ entspricht, welches den Wählern in jeder Tagesschau allabendlich präsentiert wird. Routinierte Journalisten und Talkshow-Politiker tun das, was die französische Justiz und Medien wie Mediapart [1] Le Monde oder Libération seit Jahren recherchiert haben, gerne als Verschwörungstheorie ab (dieser Begriff erspart eine Menge an Recherchen).

Tatsächlich aber ist es der Blick in einen Abgrund, dessen Konturen seit Anfang des Jahres 2018 immer klarer hervortreten. Es ist auch ein Fallbeispiel dafür, wie mörderische und völkerrechtswidrige Kriege auch heute noch auch bei uns mit Propaganda-Kampagnen als notwendige Kriege, ja als humanitäre Interventionen verkauft werden. [2]

Alexandre Djouhri, Frankreichs diskreter Handlungsreisender und Verbindungsmann zu Gaddafi, hatte sich früher als Mitglied einer kriminellen Bande mutmaßlich Schießereien mit anderen Banden in Paris geliefert, war an bewaffneten Banküberfällen beteiligt und wurde schon im Jahre 1986 von einer Sonderbrigade der Polizei für das organisierte Verbrechen dazu verhört. Er musste damals aber, wegen Mangels an Beweisen und sehr guten Verbindungen in der Unterwelt – „Man kennt das Gesetz des Schweigens dort“, steht im Polizeiprotokoll – laufen gelassen werden. Er stieg rasch im zwielichtigen, aber sehr lukrativen Discotheken- und Casino-Milieu auf, wurde dann reich mit dem Handel von Rohstoffen in Zentralafrika.

In allen Korruptionsaffären der IV.Republik tauchte er auf: Er begleitete die Bosse der staatlichen Erdölgesellschaft Elf, bevor diese hinter Gittern landeten, war beim Angolagate genannten Waffenskandal Begleiter des Sohnes von Mitterand; war Vertrauter und Begleiter des Chefs des mächtigen Wasserkonzerns Veolia und zusammen mit dem Geheimdienstchef Sqarcini in die Attentate auf Korsika verwickelt… All das machte ihn wohl unentbehrlich für den inneren Kreis des „La Sarkozie“ genannten Personen- Netzwerks des Politikers.

Während Sarkozys Präsidentschaft galt Djouhri für Polizei und Justiz als unantastbar, und es ist zu befürchten, dass er auch danach noch für die Politiker das ist, was die großen Banken für die Staaten sind: Too big to fail – hier: zu verwickelt mit allen französischen Regierungen, als dass man ihn dran kriegen könnte. „Ich krieg dich an den Eiern“ drohte er einem Konzernchef schon mal, wenn der ihn los werden wollte.

Djouhris Kriminalakte wurde immer wieder auf Betreiben höchster Stellen gelöscht ( im Fachjargon der Geheimdienste: „jungfräulich gemacht“.) Auch Präsident Emmanuel Macron scheint für seine Politik in Afrika und im Nahen Osten nicht auf Djouhri verzichten zu können. Während die französischen Ermittlungsrichter ihn erfolglos vorzuladen versuchen und ihn über Interpol suchen lassen, wurde er am 6. Dezember 2017 auf ausdrücklichen Wunsch von Macrons Protokollchef im Elyssée zu einem Empfang in der französischen Botschaft in Algier eingeladen, wo der gerade auf Staatsbesuch anwesende Macron seine hohen Gäste, darunter Djouhri, begrüßte.

Alexandre Djouhri ist eine Schlüsselfigur geworden für die schmutzigen Geschäfte der Politik und damit auch für den schmutzigen Krieg in Libyen. Im September 2016 wollten die Untersuchungsrichter in Paris Djouhri zur illegalen Finanzierung von Sarkozys Wahlkampf durch die Regierung von Muammar al Gaddafi vernehmen, aber er war abgetaucht. Er ging zuerst nach Algerien, dessen Staatsbürgerschaft er neben der französischen hatte und wo er unter dem Schutz von Ali Haddad stand, einem der mächtigsten Geschäftsleute des Landes mit besten Beziehungen zur algerischen Regierung. Weiter ging es nach Russland („Kannst du mir einen Kontakt zu Putin herstellen“, protokollierten die Untersuchungsbeamten aus einem abgehörten Telefongespräch von Sarkozy), in die Arabischen Emirate und nach Quatar; Länder, in die auch die Spuren des libyschen Geldes für Sarkozy führen werden.

Seltsame Wege des Geldtransfers auf hohem Niveau

Nach einer ersten Hausdurchsuchung bei Alexandre Djouhri in seinem Schweizer Wohnsitz fanden die Beamten heraus, dass er seine ziemlich heruntergekommene Villa an der Côte d’Azur für zehn Millionen Euro an die Schweizer Filiale des „Libya Africa Investment Portfolio (LAP)“ verkauft hatte. Dieser souveräne libysche Staatsfonds wurde von Bechir Saleh, einem Freund Djouhris, verwaltet. Saleh war zugleich Kabinettschef von Gaddafi und offiziell für dessen Beziehungen zu Frankreich zuständig.

Ein Schweizer Bundesgericht stellte fest, dass es sich beim Verkauf der Villa um verdeckte Geldgeschäfte gehandelt habe, da der Preis bewusst völlig überhöht war. Der französischen Justiz bleibt die Aufgabe, die genaue Spur der Millionen aus dem Hause Gaddafi in den inneren Zirkel von Nicolas Sarkozy zu rekonstruieren. Es hilft ihnen nur wenig, dass Ziad Takkiedine, der frühere enge Freund Sarkozys und sein bevorzugter Waffenhändler, sich jetzt gegen ihn wandte und in Talk Shows erklärte, dass er persönlich Sarkozy die Wahlkampfspenden aus Libyen überbracht habe – in großen Aluminiumkoffern, gefüllt mit 100- und 200- Euro Scheinen.

Andere Wege zum großen Geld

So leicht und elegant wie Frankreichs jetziger Präsident Emmanuel Macron zu Geld kam, hatte es sein Vorvorgänger Nicolas Sarkozy nie. Macron musste die Politik nur für ein paar Jahre verlassen, um über seine guten Beziehungen mal kurz Bankier bei der Investmentbank Rothschild zu werden. Dort wurde er – wieder mit seinem „carnet d’adresses“, wie man Beziehungen in Frankreich nennt – mit einem einzigen Deal zwischen dem Nestlé- und einem US Pharma-Konzern zum Millionär. Dann kehrte er zurück auf die politische Laufbahn – erst ins Finanzministerium unter dem sozialdemokratischen Präsidenten Hollande und schließlich selbst ins Präsidentenamt.

Der Versuch von Nicolas Sarkozy, reich zu werden, war schwieriger. Als er noch Minister war und verantwortlich für die Finanzen seiner konservativen Partei, waren seine Bemühungen, durch Schmiergelder bei Rüstungsgeschäften mit Pakistan Geld aufzutreiben, schnell ins Visier der Justiz geraten. Möglicherweise musste er auch damals – mit der bis heute ungeklärten Ermordung französischer U-Boot Ingenieure – schon über Leichen gehen? Auch dazu ermittelt die Justiz seit Jahrzehnten.

Von den ‘Säuberungen’ in den
Armenvierteln von Paris zum Krieg in Libyen.


Blicken wir kurz auf die Anfänge des Kriegs gegen Libyen, den Sarkozy in Gang gesetzt hat. Es war im Jahr 2005 und Sarkozy war Innenminister und in der guten Gesellschaft beliebt als einer, der durchgreift. So hatte er bei den Unruhen in den armen Pariser Vororten behauptet, die zwei dabei zu Tode gekommenen 14- und 17-jährigen Jugendlichen seien selbst Schuld an ihrem Tod gewesen und nicht die Polizei – fälschlich, wie sich im Nachhinein herausstellte. Er werde die aufgebrachten Jugendlichen, meist nordafrikanischer Herkunft, die er als „racailles” bezeichnete, als Gesindel oder Schrott, mit dem Kärcher wegsäubern (Das deutsche Hochdruckreinigungsgerät von Kärcher mit starken Desinfektionschemikalien war in Frankreich überall bekannt).

Was erst jetzt, im April 2018 bekannt und bei den Ermittlungsbehörden aktenkundig wird, ist die Tatsache, dass Sarkozy am 6. Oktober desselben Jahres den Libyschen Staatschef Mouammar al Gaddafi, der weltweit isoliert und als Unterstützer von Aufruhr und Terror verschrien war, in Libyens Hauptstadt Tripolis besuchte, um dessen Unterstützung bei der kommenden von ihm angestrebten Präsidentschaftswahl zu suchen und diese von Gaddafi auch zugesagt bekam. Protokolliert wurde das vom libyschen Diplomaten, Schriftsteller und Frankreich-Kenner Moftah Missouri, der 25 Jahre lang Gaddafis Dolmetscher war und jetzt in Tunis einem Reporter von Mediapart ein dreistündiges Interview gegeben hat, in dem er über alle Treffen zwischen Sarkozy und Gaddafi berichtete.

Nachdem der französische Innenminister Nicolas Sarkozy dem libyschen Staatschef und Diktator (als einem der ersten) seine Absicht mitgeteilt hatte, für das höchste Amt im französischen Staat kandidieren zu wollen, so berichtete der Dolmetscher Missouri, beglückwünschte ihn der Revolutionsführer und sagte, es sei „ gut, einen Freund an der Spitze Frankreichs zu haben“. Er sicherte ihm seine Ermutigung und Unterstützung zu.

„Na ja, Unterstützung?“ fragt der Reporter von Mediapart, „ das muss ja nichts heißen. „Doch“, sagt Missouri, „ich kenne diese diplomatischen Begriffe sehr genau [3], wenn man einem Staatschef sagt, ich werde Sie unterstützen, dann heißt das, ich werde ihnen Geld geben; denn Libyen kann Frankreich nichts anderes geben, keine Parfums, keine Camemberts… keine Rafale Jagdbomber.“

Später bestätigte der Diplomat dann die Echtheit eines von Mediapart schon zuvor veröffentlichten Dokuments, das eine Summe von 50 Millionen Euro für Sarkozys Wahlkampf vorsah, was Sarkozy zunächst im Fernsehen als „ ungeheure Fälschung“ bezeichnete und Anzeige erstattete. Die Justiz sah das aber anders, lehnte Sarkozys Begehren ab und hielt die Aussagen des Dolmetschers und Protokollanten Moftah Missouri für glaubhaft, der stets mit Notizbuch, Kugelschreiber und Brillenetui ( in dem sich ein Schweizer Mini- Präzisionstonbandgerät befand ) Zeuge aller Treffen des Libyschen Staatsoberhaupts war, sie gewissenhaft protokollierte und im libyschen Staatsarchiv hinterlegte.

Laut 2018 veröffentlichten Ermittlungsakten und Geheimdokumenten zur Libyen-Affaire hat Sarkozy den Philosophen Bernard-Henry Lévy gleich nach den Beamten und Ausbildern des Auslands-Geheimdienstes DGSE nach Benghasi geschickt. [5] Sein Auftrag unter anderem: mit den von Lévy auch publizistisch vertretenen Rebellen und Freiheitskämpfern verbindliche Garantien für bevorzugte Handelsbedingungen auszuhandeln – nach dem Sieg der Rebellion.

Aufschlussreich an dem Memorandum vom 2. April 2011 an die amerikanische Außenministerin ist die Einschätzung der Kriegsmotive des französischen Staatspräsidenten, die sich mit denen der späteren britischen Parlamentskommission durchaus decken. Dort ist weder von humanitären Gründen noch vom angestrebten Schutz der Bevölkerung die Rede, vielmehr von „ strategischen, wirtschaftlichen und politischen Interessen“ – und besonders von „143 Tonnen Gold und genau so viel Silber in Libyen…, die dazu bestimmt sind, eine auf dem libyschen Gold-Dinar basierende panafrikanische Währung einzuführen, die den francophonen afrikanischen Ländern eine Alternative zum bestehenden Franc CFA (Franc de la Communité Financière d’Afrique) anbieten soll.“ [6]

Davon, dass diese neue Währung auch die von den USA und Saudi Arabien kontrollierten Petro-Dollars auf dem afrikanischen Kontinent ablösen würde, war in den Memoranden nicht die Rede.

Beduinenzelt und Elyséepalast

Zum Libyenkrieg schrieb ein ehemaliger französischer Diplomat, der auf beiden Seiten des Konflikts Zeuge war: Das Unheimliche ist, dass es bei den Verantwortlichen in Frankreich und England genau so zuging wie im Beduinenzelt des Diktators in Libyen: Der Chef entschied und alle machten widerspruchslos mit. Gemeint waren die Chefs Sarkozy und Cameron, immerhin Präsident und Premierminister von europäischen Demokratien im 21. Jahrhundert. Die Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Großbritannien kamen zu dem selben Ergebnis.

Das ist keine Lappalie und kein Einzelfall: Die Formel vom Völkermord, der in Libyen durch eine humanitäre, militärische Intervention verhindert werden sollte, ist ebenso nüchterne wie schreckliche Realität geworden: In den verheerenden und sinnlosen Kriegen in Afghanistan, im Irak, in Syrien und zuletzt auch in Libyen, sind Millionen von Menschen getötet worden, verwundet, verarmt und in die Flucht getrieben. Die Schäden einer traumatisierten und ruinierten Kindheit und Jugend werden die Länder – und auch Europa – noch für Generationen heimsuchen.

Ob es der Justiz gelingen wird, die Akteure der Libyen-Connection zu verurteilen oder nicht – schon jetzt ist umfangreich dokumentiert, dass der Krieg gegen Libyen auch von einem Netzwerk des organisierten Verbrechens unterstützt und ermöglicht wurde: von kleinen Gaunern, Schiebern und Waffenhändlern im Verein mit hochoffiziellen, demokratisch legitimierten und anerkannten europäischen Regierungen; und das tatsächlich mit allem, was zur organisierten Kriminalität dazugehört: Korruption, Geldwäsche und deren Vertuschung bis hin zu ungeklärten Morden unter dem Schutz von staatlichen Geheimdiensten oder möglicherweise sogar der (französischen ) Luftwaffe, um Mitwisser auszuschalten. [7]

Zwar haben die Staatschefs Sarkozy und Cameron fast einen Privatkrieg wie zu Kolonialzeiten vom Zaun gebrochen, aber gerade in Frankreich und in England haben sich erstaunlicherweise zugleich drei der tragenden Säulen unserer Demokratie als noch intakt erwiesen, wenn auch erst im Nachhinein, als es schon zu spät war, um die Libyen-Katastrophe zu verhindern.

Die drei Säulen – so steht es in jedem Lehrbuch – sind eine freie, unabhängige und gut informierte Presse – tatsächlich haben einige Zeitungen in Frankreich den Krieg vom Trommelfeuer der Propaganda befreit und die Fakten, Hintergründe und Zusammenhänge recherchiert und veröffentlicht.[8]

Ebenfalls in Frankreich hat eine unabhängige und unparteiische Justiz das scheinbar unantastbare und international operierende Netzwerk des Präsidenten Sarkozy zu durchleuchten versucht und den ehemaligen Präsidenten schließlich zu einem Verhör vor den Untersuchungsrichter gebracht. Die Richter ermitteln gegen Sarkozy wegen passiver Korruption, illegaler Finanzierung seiner Wahlkampagne und Hehlerei und Unterschlagung libyscher öffentlicher Gelder.

Und schließlich ist da noch ein britisches Parlament, das in mehreren gründlich erarbeiteten Untersuchungsausschüssen den Regierungen Blair im Irak und Cameron in Libyen gravierendes Versagen bei den militärischen Interventionen bescheinigte. [9]

Deutsche Quellen zu einem der verheerendsten jüngsten Kriege und seinen Hintergründen – aus den gängigen Medien, dem Parlament, den Parteien, oder der Justiz? Fehlanzeige.

Viagra, Massenvergewaltigungen und Völkermord in höchster Potenz.

Von dem in London am 7. Januar dieses Jahres festgenommenen Alexandre Djouhri will die Justiz und mit ihr die kritische Öffentlichkeit wissen, ob der Diktator Gaddafi den Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2007 von Nicolas Sarkozy mit einigen Millionen Euro mitfinanziert hatte. Und damit würde sich auch weiter aufklären lassen, ob der Krieg, den Sarkozy zusammen mit der Nato dann im Jahre 2011 gegen denselben Gaddafi führte, nicht zur Rettung der arabischen Welt (Sarkozy) oder zumindest zur Rettung der libyschen Bevölkerung (Bernard-Henry Lévy, Daniel Cohn-Bendit ) geführt wurde, sondern auch zur Ausschaltung eines zu wenig kooperierenden und lästig gewordenen Geschäftspartners, dem man noch kurze Zeit zuvor dieselben Rafale-Kampfflugzeuge verkaufen wollte, die jetzt sein Land bombardierten.

Schon damals bezeichneten Kenner Libyens es als sehr zweifelhaft, was Politiker, angeschlossene Journalisten, Intellektuelle und Talkshow-Populisten verkündeten, um den Krieg gegen Libyen vorzubereiten. Und das betraf keineswegs nur die Horrorgeschichten über Viagra, das Gaddafi an seine Truppen ausgeteilt und ihnen Massenvergewaltigungen befohlen haben soll.

Am prägnantesten hatte der Luxemburger Eurokrat Jean Asselborn die Grundthese formuliert: „In Libyen ereignet sich ein Völkermord in höchster Potenz“. So oder ähnlich wurde es auf allen Kanälen wiederholt. Frühere Kriegsgegner, die jetzt zu Bellizisten geworden waren, den Krieg aber immer nur aus humanitären Gründen lieben, begleiteten nun die Kriegsvorbereitungen „von links“. Auch sie lieferten „Alternative Fakten“, die nach den Kriegen in Afghanistan, im Irak und Syrien – um nur einige zu nennen, eine weitere menschliche Katastrophe auslösten.

„Völkermord in höchster Potenz“? Tatsächlich sind in diesen von Nato-Staaten und Europa mitverursachten oder direkt betriebenen Kriegen über drei Millionen Menschen getötet worden, von den noch Generationen anhaltenden Folgeschäden abgesehen.

Krieg unter ziemlich besten Freunden.

Das Erstaunlichste war, dass 2011 ausgerechnet Präsident Sarkozy, der gerade die besten Beziehungen zum ehemaligen „Top-Terroristen“ aufgebaut und „seinen Freund Muhammar al Gaddafi“, durch einen prunkvollen Staatsbesuch in Paris – inklusive Jagdgesellschaft mit französischen Geschäftsleuten – weltweit rehabilitiert hatte, sich als erster und aktivster auf die Seite der Protestbewegung im Osten Libyens gegen Gaddafi stellte, die dann ganz schnell zur bewaffneten Rebellion wurde.

Auch der libysche Staatschef war ungläubig erstaunt über Nicolas („Mein lieber Freund muss verrückt geworden sein!“), zumal seinem, wie auch dem französischen Geheimdienst bekannt war, dass unter den aus dem Ausland zurückgekehrten Oppositionellen und Führern des Aufstands nicht nur betuchte Geschäftsleute waren, die ungeduldig die Abwicklung und Privatisierung der libyschen Staatsbetriebe erwarteten, sondern auch sehr viele Djihadisten, die aus Afghanistan und dem Irak zurückkehrten. Der prominenteste unter ihnen: Abdelhakim Belhadj. Er war noch 2003 als islamistischer Terrorist in Afghanistan gefangen genommen und vom CIA an Gaddafis Libyen ausgeliefert worden, wo er nach sechs Jahren Gefängnis wieder frei kam. Auch Sarkozys andere Geschäftspartner übernahmen jetzt den Aufstand in Bengazi: Die islamischen Diktaturen von Saudi Arabien, Al Sisis Ägypten und besonders Katar, allesamt Todfeinde Gaddafis. Sie lieferten Waffen und Ausbilder, besonders aber halfen sie mit einer gewaltigen Propaganda-Offensive. Träger dieser Medien-Offensive waren ihre Fernsehsender Al Jazeera und Al Arabya .

Deren Sendungen, wurden sonst gern als parteiisch belächelt, jetzt aber wurde jeder Bericht von ihnen über Libyen ungeprüft von den europäischen und amerikanischen Medien übernommen. Intellektuelle im Dienste Sarkozys, allen voran der Philosoph und Autor Lévy, ergänzten diese Berichte mit humanitären Aufrufen. Empört verglich er die Einsätze der libyschen Regierungstruppen gegen die Aufständischen mit den Massenmorden der Serbischen Soldateska in Srebrenica an wehrlosen Zivilisten.

Eine eilig in London neu gegründete Libysche Liga für Menschenrechte berichtet, dass bereits 6000 Menschen vom Regime Gaddafi umgebracht worden seien; 3000 in der Hauptstadt Tripoli und 2000 in Bengazi. In Wirklichkeit, so schon der amerikanische Generalstabschef Admiral Michael Mullen bei einer Anhörung des Kongresses, gab es keinerlei Bombardierungen auf die Zivilbevölkerung durch die Luftwaffe Gaddafis; es gäbe auch keinerlei Aufnahmen solcher Bombardements. Und doch schreibt unter anderem Lévy in seinem Buch „La guerre sans l’aimer – Der Krieg ohne ihn zu lieben“, dass diese Aufnahmen der entscheidende Auslöser für ihn gewesen seien, nach Bengazi zu gehen und sich für die militärische Intervention einzusetzen .

Sarkozys Außenminister
Alain Juppé in den Schuhen von Colin Powell.


Ergebnis und Höhepunkt all dieser Bemühungen war der Resolutionsentwurf vor dem Sicherheitsrat, den Frankreichs Außenminister Alain Juppé vor der UNO in New York vortrug. Er ermahnte die Völkergemeinschaft, sofort einzuschreiten, bevor es zu spät sei und Gaddafi weitere Tausende von friedlichen und freiheitsliebenden Demonstranten bei „ der Rückeroberung der befreiten Städte“ “massakriere“. Natürlich wußte der Außenminister Sarkozys da schon, dass das nicht stimmte, dass es um bewaffnete Aufständische gegen die Gaddafi Regierung ging, die aus aller Herren Länder und allen möglichen islamistischen Gruppierungen kamen. Er mußte es wissen, denn der Auslandsgeheimdienst seines eigenen Landes begleitete und unterstützte diesen Aufstand mit militärisch operierenden Agenten der DGSE Aktivdivision.

Eine UNO-Untersuchungskommission und die (interessierte) Welt erfuhr allerdings erst im Nachhinein, dass es zu diesem Zeitpunkt bei den Unruhen in der Hauptstadt Tripolis nicht 3000 sondern 200 Tote gegeben hatte, darunter zwei Frauen. Und dass es sich auch nicht um unbewaffnete Demonstranten handelte. Im Bericht des britischen Parlaments heißt es: „Die Diskrepanz zwischen männlichen und weiblichen Opfern zeigt, dass die Truppen des Gaddafi Regimes auf männliche Kämpfer in diesem Bürgerkrieg zielten und nicht wahllos Zivilisten angegriffen haben. Allgemein kann man sagen, dass in der schrecklichen Bilanz von 40 Jahren Menschenrechtsverletzungen durch Mouammar Gaddafi keine Angriffe größeren Ausmaßes auf die Zivilbevölkerung vorkamen.“

Doch keiner schien sich 2011 an den amerikanischen Außenminister Colin Powell zu erinnern, der 2003 vor demselben Gremium mit gefälschten Informationen und Dokumenten den Irak-Krieg seines Präsidenten George W. Bush begonnen hatte – „sehr schmerzlich“ sagte Powell später, „ ein Schandfleck in meiner Karriere“.

Nach einer pathetischen Darstellung der „Humanitären Werte„, die Sarkozys Frankreich und Europa vertrete, rief Außenminister Juppé am 17.März 2011 den Sicherheitsrat auf, sofort zu handeln: „ Jeder Tag, jede Stunde, die wir verstreichen lassen, erhöht das Gewicht der Verantwortung, die wir auf unseren Schultern tragen. Passen wir auf, dass wir nicht zu spät kommen.“

Die Dampfwalze der weltweiten Propaganda, die sich nicht nur auf gefälschte Informationen sondern auch auf Gaddafis bombastische und skurrile Rhetorik stützen konnte, war so beeindruckend, dass sich selbst die Veto-Mächte Russland und China nicht „ihrer Verantwortung“ entziehen wollten. Sie verzichteten allerdings auf ihr Veto nur unter der Bedingung, dass die militärischen Aktionen lediglich dem Schutz der Bevölkerung dienen sollten und nicht dem Sturz des Regimes Gaddafi. Und dass keinerlei ausländische Militärs nach Libyen entsandt, Militärs am Boden in die Aktionen der Aufständischen eingreifen oder dass Waffen dorthin geliefert werden.

In diesen letzten Punkten wurde das UNO-Mandat bereits bei der Verabschiedung gebrochen. In den anderen Punkten endgültig im Verlauf der monatelangen Bombardierungen und militärischen Interventionen der NATO, was die von der UNO legitimierte Humanitäre Intervention in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verwandelte .

Obama spricht von einer „Shit-Show“ in Libyen

Der Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments (s.o.) veröffentlichte am 14. September 2016 seinen vernichtenden Bericht zur militärischen Intervention in Libyen im Jahr 2011. Nach dem Studium aller verfügbaren Informationen und Dokumente und der Anhörung aller möglichen Politiker, Militärs und Wissenschaftler, kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass die Kriegshandlungen auf irrtümlichen Annahmen aufgebaut waren und dass besonders die Gefahr eines Massakers an der Zivilbevölkerung durch Gaddafi in der Stadt Bengazi im Februar und März 2011, was das Hauptargument für den Krieg war, „überbewertet“ war und sich auf keinerlei belastbare Informationen stützen konnte. Der damalige konservative Premier David Cameron sei ohne eigene Informationen und ohne parlamentarische Diskussionen blind dem französischen Präsidenten Sarkozy gefolgt.

Der konservative Abgeordnete im Ausschuss, Crispin Blunt, fasste das Ergebnis der Untersuchung in einem wichtigen Punkt zusammen: „Wenn die Hauptaufgabe der militärischen Intervention die dringende Notwendigkeit des Schutzes der Zivilisten von Benghazi war, so wurde dieses Ziel im März 2011 in weniger als 24 Stunden erreicht… Das heißt, dass eine begrenzte Intervention zum Schutz von Zivilisten in eine opportunistische Politik abgeglitten ist, um mit militärischen Mitteln das Regime auszuwechseln.“ Der Ausschuss zitiert auch den amerikanischen Präsidenten Obama, der den Krieg als „Shit Show“ bezeichnet hatte und als den größten Fehler seiner Amtszeit.

Auch mit dem Chilcot Report hatte man in England gezeigt, wie man die mörderischen Verschwörungstheorien, die Kriege vorbereiten, bekämpfen kann: Sir John Chilcot hatte mit seiner Kommission sieben Jahre lang Zeugen befragt, 150.000 Dokumente ausgewertet und 10 Millionen britische Pfund für die Recherchen ausgegeben. Das Ziel war es, die wahren Zusammenhänge zum Krieg gegen den Irak aufzudecken, aber auch zum Krieg gegen Libyen.

Ein „Schurke“ wird erschlagen, ein anderer „exfiltriert“

Im Jahre 2011 wütet der französisch-europäische Krieg in Libyen, und Gaddafi wird unter Brüllen von islamistischen Kampfrufen medienwirksam vor laufenden Kameras erschlagen oder erschossen. Nach der UNO-Resolution sollte er weder beseitigt noch gar erschossen werden und selbst die sogenannte Gegenregierung in Bengazi wollte ihn an den Internationalen Gerichtshof überstellen – lebend. Dennoch feierten Sarkozy, Cameron und andere Europapolitiker dieses zweifelhafte und wie sich herausstellte sehr vorläufige Ende des Krieges begeistert als „Mission Accomplished“.

Zur gleichen Zeit war auch Alexandre Djouhris Freund und Gaddafis Kabinettschef Bechir Saleh von libyschen Rebellen verhaftet worden. Er konnte dann aber ungehindert nach Tunesien entkommen, wo er von Djouhri schnellstens aus dem Land geschafft wurde, bezeichnenderweise mit Hilfe des französischen Botschafters in Tunis und Bernard Squarcini, inzwischen Chef des französischen Inlandsgeheimdienstes, und ebenfalls Mitglied des inneren Kreises von Sarkozy.

„Warum wurden solche sensiblen Missionen einem ehemaligen Mitglied der Unterwelt anvertraut?“, fragte die Zeitung „Le Monde“ zur Rolle Djouhrys auch bei diesem Sondereinsatz. „Sollte er Bechir Saleh zugleich beschützen und beseitigen, diesen Träger eines Teils der französisch-libyschen Geheimnisse, die als immer übler riechender Gestank aus dem Untergrund hervortreten ?“

Unbehelligt können Alexandre Djouhri und Bechir Saleh nach Paris reisen (im Jargon des französischen Geheimdienstes: „exfiltriert“), dann sicherheitshalber weiter ins afrikanische Niger und schließlich definitiv nach Südafrika. Da hilft auch kein Haftbefehl von Interpol gegen Bechir Saleh wegen der Entwendung libyscher Staatsgelder.

Ein toter Ölminister schwimmt in der Donau.

Immerhin blieb Bechir Saleh, der jetzt in Johannesburg residiert, das Schicksal seines Freundes und früheren Kollegen, des Kabinettschefs und Ölministers von Gaddafi, Choukri Ghanem, erspart. Dessen Leiche wurde in Wien in der Donau schwimmend gefunden, kurz bevor er zu den Geldströmen des alten Regimes befragt werden konnte. [10] Offizielle Todesursache: Herzinfarkt. In einer der E-Mails an Hillary Clinton schrieb die österreichische Polizei und Interpol, dieser Tod sei ihnen in hohem Maße suspekt. Was Gaddafis Öl- und Premierminister hätte aussagen können, haben niederländische Polizisten bei einer ihrer Hausdurchsuchungen gefunden und an die französische Justiz weitergeleitet: In seinen Notizen hatte Choukri Ghanem drei Überweisungen zur Finanzierung von Sarkozys Wahlauslagen mit einem Gesamtbetrag von 6,5 Millionen Euro schriftlich dokumentiert.

Ein mit dem französische Geheimdienst und den Behörden Gaddafis gleichermaßen kooperierender Chef einer privaten Sicherheitsfirma, der viel Insiderwissen hatte, aber sich nicht zum Schweigen verpflichten ließ, wurde in Benghazi auf offener Straße von einem maskierten Kommando erschossen. Offizielle Begründung: ein Unfall [11].

Der Diplomat und Dolmetscher Gaddafis, Moftah Missouri ( s.o.), ist sich seines Lebens wohl auch nicht mehr sicher. Nachdem Sarkozy im April 2018 von der Polizei 48 Stunden lang verhört worden war und anschließend triumphierend im französischen Fernsehen TF1 auftrat, hatte er dabei auch Missouri, wie alle anderen Zeugen gegen ihn, beschimpft. Missouri protestierte gegen die diffamierenden und drohenden Äußerungen Sarkozys: „Man bedroht nicht den Schreiber oder Zeugen“, schrieb er und bat darum, so schnell wie möglich vor einem Untersuchungsrichter als Zeuge vernommen zu werden, damit seine Aussagen auch gerichtsverwertbar protokolliert würden.

Tatort: Das Zentrum der Machtelite

Die Spuren, denen die französische Justiz nachgeht, führen immer tiefer ins Zentrum der französischen Machtelite, deren Mitglieder sich jetzt vor aller Öffentlichkeit gegenseitig denunzieren, um die eigene Haut zu retten.

Ein Beispiel: Nachdem Mediapart das Dokument über die Finanzierung Sarkozys veröffentlicht hatte und seine Echtheit vom Dolmetscher Gaddafis bestätigt wurde, rief der ehemalige französische Präsident den Chef des amtierenden Inlandgeheimdienstes, Patrick Calvar an, als sei er noch dessen Dienstherr und bat um Informationen über den Libyer und auch über den Fortgang der juristischen Ermittlungen gegen ihn selbst. „ Hält Patrick Calvar noch zu uns ?“ fragte Sarkozy am Telefon einen Vertrauten. Tat er wohl nicht und gab es an die Justiz weiter.

Das veranlasste die Untersuchungsrichter, fortan Sarkozys Mobiltelefon abhören zu lassen. Dieser bekam Wind davon und besorgte sich wie in einem Krimi ein neues Handy und meldete es unter dem falschen Namen Paul Bismuth an. Jetzt freier redend aber immer noch angezapft, protokollierten die Beamten die Bemühungen des Ex-Präsidenten, Spuren zu verwischen, Lecks und Verräter in seinen Kreisen zu erkennen, um sie auszuschalten.

Unter anderem verdächtigten er und seine Leute den Verbündeten und hohen Verantwortlichen beim Airbus- und Rüstungskonzern EADS, Phillipe Bohn, zuständig für Libyen und andere Waffenverkäufe in Afrika, den Sarkozy mit einem seiner Getreuen persönlich aufsuchte, um den Manager zur Rede zu stellen. Die Polizisten des zentralen Ermittlungsbüros im Kampf gegen die Korruption kamen dann gleich als nächste zu Bohn und veranlassten bei ihm eine Hausdurchsuchung; doch da waren schon alle Spuren verwischt.

1,5 Millionen Euro im Koffer aus Tripolis.

Als Ziad Takieddine am 5.März 2011 nach einem Besuch bei Gaddafi in Tripolis am Pariser Flughafen Bourget mit 1,5 Millionen Euro im Koffer verhaftet wurde, erklärt er, dass bei ihm alles legal ablaufe und dass sie besser mal beim ehemaligen Generalsekretär des Präsidentenpalastes, Claude Guéant, nachschauen sollten. Dieser habe ihn wohl verpfiffen, um seine eigene Rolle bei der Finanzierung von Sarkozys Wahlkampf zu verschleiern. Und in der Tat, die Beamten werden fündig: Claude Guéant, der höchste Beamte in der Regierung unter Präsident Sarkozy erhielt im Jahre 2008 eine Zahlung von 500 000 Euro aus Malaysia. Wofür ? Ohne die Untersuchungsrichter wirklich zu überzeugen, erklärt er, zwei wertvolle Gemälde flämischer Meister aus seinem Besitz verkauft zu haben.

Es hat die Justiz dann einige Mühe gekostet, zu ermitteln, wo die Zahlung für die auf einen wesentlich geringeren Wert geschätzten flämischen Meister herkam: von einem der zahlreichen Konten des saudiarabischen Milliardärs Khaled Bugshan, dessen Schweizer Niederlassung von keinem anderen als von Alexandre Djouhri verwaltet wurde. Peinlicherweise musste dann auch ein politischer Gegner Sarkozys, der frühere französische Premierminister Dominique de Villepin „erschrocken“ feststellen, dass eine „ganz normale Zahlung“ für in diesen Kreisen übliche „Beratertätigkeit“ von einigen Hunderttausend Euro just von derselben Unternehmensgruppe des saudischen Milliardärs Bugshan kam. Er wolle das so schnell wie möglich aufklären, versicherte der Politiker den Ermittlern – „brutalstmöglich“ sozusagen.

Den Besuch Sarkozys – als französischer Innenminister – bei Mouammar Gaddafi in Tripolis hatte Ziad Takkiedine vorbereitet, der dann auch, zusammen mit Claude Guéant und Brice Hortefeux die konkreten Verhandlungen zur Unterstützung des französischen Präsidentschaftskandidaten geführt hat. Am gefährlichsten für die Aufklärung der Zusammenhänge der Libyen-Afffaire ist wohl die andere, die libysche Seite dieser Gespräche. Neben Moussa Koussa, dem Chef des Auslands-Geheimdienstes und Bachir Saleh, dem Sekretär für auswärtige Angelegenheiten des Staatschefs (s.o.), saß da auch Abdallah Senoussi, der gefürchtete Chef des militärischen Geheimdienstes und Schwager Gaddafis.

Er war 1999 von einem französischen Gericht in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, wegen seiner Beteiligung an einem Bombenattentat auf ein Verkehrsflugzeug der französisch-afrikanischen Fluglinie UTA. Gaddafi lag sehr viel daran, dass die französische Justiz die Sache nicht weiter verfolgte. Dass ausgerechnet dieser weltweit zum Symbol für das „terroristische Regime

Gaddafi„ bekannte Senoussi jetzt für die Vergabe von Geldern an ausländische Politiker – und damit an Sarkozy – zuständig war, musste vom Kreis um Sarkozy wie eine zweite Bombe empfunden worden sein, die jederzeit explodieren könnte – nicht in der DC10 Maschine der UTA sondern mitten im Büro des ehemaligen französischen Präsidenten. [12]

Kurzer Prozess im Bombenhagel

Neben diesen Geschäften unter Politikern, deren Geldgier sie zu den kühnsten Taten beflügelte, ging es aber auch noch um seriöseres, um Realpolitik, genauer um eine Gefährdung der real existierenden Ordnung der freien Welt.

Bei aller Liebe Gaddafis zu mörderischen Attentaten und abenteuerlichen Umsturzversuchen in aller Welt, die durchaus mit denen eines Henry Kissinger in Chile und anderen Ländern mithalten konnten, hatte er eine noch viel ausgeprägtere Leidenschaft: Er wollte Afrika unter libyscher Führung vereinen. Er glaubte, damit endlich die Befreiung vom Kolonialismus vollenden zu können, so wie er einst als junger Offizier Libyen von seinem korrupten König, den englischen und amerikanischen Militärbasen und der Herrschaft der Ölmultis befreit hatte. Dazu verwendete er jetzt einen Großteil der schier endlosen Reichtümer seines Landes.

Und er hatte zunehmend Erfolg damit! Im Gegensatz zu der von Saudi-Arabien und den Emiraten beherrschten Arabischen Union, die dann den Libyenkrieg unterstützte, hatte die Afrikanische Union Muhammad Gaddafi zu ihrem Vorsitzenden gemacht und sich während seines Konfliktes mit den Aufständischen im Osten Libyens leidenschaftlich für eine Verhandlungslösung eingesetzt. Diese Initiativen zur nicht- kriegerischen Konfliktlösung waren schon recht weit vorangekommen. Der Diktator war wohl auch zur Rettung seines Afrika-Projekts zu Zugeständnissen bereit gewesen. Doch dies ging dann ziemlich schnell im französischen Bombenhagel und dem der Verbündeten unter.

Statt Projekte für Afrika, Krieg, Chaos und ein weiterer Failed State.

Neben einem eigenen afrikanischen Nachrichten-Satelliten (AFSAT), den hauptsächlich Libyen finanzierte und der die Ausgaben von jährlich 500 Millionen Dollar für die Nutzung eines Europäischen Satelliten ablösen sollte, stand die Realisierung einer afrikanischen Währungsunion unmittelbar bevor. Ab 2011, genau dem Jahr der Bombenangriffe auf Libyen, sollte sie durch die Gründung einer afrikanischen Investitionsbank mit Sitz im libyschen Sirte begonnen werden und die Gründung des afrikanischen Währungsfonds mit Sitz in Yaounde, Kamerun, sowie die Gründung einer afrikanischen Zentralbank im nigerianischen Abuja stand bevor zwecks Einführung einer gemeinsamen Währung, die nicht mehr auf dem labilen und extrem krisenanfälligen Dollar basieren würde, sondern auf dem libyschen Gold.

Die neue afrikanische Währung, die dann im französisch-europäischen Bombenhagel unterging, wie auch die weltweit effektivste staatliche Bewässerungsanlage, das Great-Man-Made-River-Project (GMMR), das ebenfalls zerstört wurde, sollten ganz Afrika unabhängig machen, die neue Währung vor allem den in weiten Teilen Afrikas offiziell geltenden Franc CFA (Communauté Financière d’Afrique) ablösen.

Die Herrschaft der französischen Währung wird jetzt weiter bestehen bleiben; sie konnte freilich schon vorher nicht ohne den Einsatz des französischen Militärs und einer Reihe von Geheimabkommen mit anderen afrikanischen Diktatoren durchgesetzt werden. Experten haben berechnet, dass seit der Unabhängigkeit zur Durchsetzung der seit etwa 1960 unveränderten Vorherrschaft Frankreichs genau fünfzigmal die französische Armee eingegriffen hat. Die Truppenbesuche der jeweiligen französischen Präsidenten in Afrika – auch Präsident Macron besuchte die Truppen in Mali als seine erste feierliche Amtshandlung – erfreuen sich großer Beliebtheit bei der europäischen Bevölkerung.

Der gigantische Gold- und Silberschatz Libyens, ebenso wie die Milliarden des Staatshaushalts sind mit der Zerstörung des Staates spurlos verschwunden oder über Treuhandbanken ordnungsgemäß abgewickelt worden. Nicht verschwunden sind die unendlichen Massen an modernsten Waffen, darunter schultergestützte Luftabwehr-Raketen, so genannte Manpads, die durch das Abschießen von Passagierflugzeugen den zivilen Flugverkehr der ganzen Region lahmlegen können. Sie sind in die Hände von kriminellen Banden geraten, von Drogen-und Menschenhändlern, von Warlords und religiösen Fanatikern aber auch von Widerstandsgruppen, die seit Jahrzehnten gegen die von Frankreich betriebene Ausbeutung der Bodenschätze, zum Beispiel der Uranvorkommen in Niger, kämpfen.

Die International Crisis Group schätzt, dass in Libyen etwa 100 Milizen existieren. Libyen ist außerdem zur Brutstätte des IS geworden, Anrainerstaaten wie Tunesien, Algerien, den Tschad oder Ägypten werden destabilisiert und zu enormen polizeilichen und militärischen Anstrengungen bei der Grenzsicherung gezwungen – wieder auf dem Rücken der Bevölkerung.

Malte Rauch lebt und arbeitet als Filmemacher in Frankfurt am Main. Eine längere Version des Textes ist bereits auf dem Blog Business Crime Control erschienen.

    1] Mediapart ist eine äußerst erfolgreiche Internet Zeitung, die ein ehemaliger Redakteur von Le Monde gegründet hat, nachdem sich einige Millionäre am Kapital von Le Monde und von Libération beteiligten und Einfluss bekamen. Bei mediapart schreiben inzwischen einige der besten ehemaligen Journalisten von Le Monde, Libération und dem Nouvel Observateur sowie andere jüngere Autorinnen, denen die großen französischen Zeitungen nicht mehr unabhängig genug sind.

    2] Rony Brauman, Beobachter und Chronist beim Eichmann Prozess in Israel, später Gründer und Präsident der Organisation Ärzte ohne Grenzen weist in seinem neuen Buch Les Guerres Humanitaires, édition Textuel, 2018 neben vielen anderen Beispielen nach, dass es die Bombardierungen der eigenen Bevölkerung durch Gaddafi, wie sie als Kriegsgrund genannt wurden, nie gegeben hat.

    3] Missouri wies darauf hin, dass Libyen wie auch europäische Staaten andere Länder finanziell unterstützte. So habe Nelson Mandela die finanzielle Unterstützung durch Gaddafi für die wichtigste bei der Entstehung des unabhängigen Südafrikas bezeichnet. Mandela war lebenslang mit Gaddafi eng und freundschaftlich verbunden.

    4] James Comey: Größer als das Amt- Auf der Suche nach der Wahrheit, Droemer Verlag, Mai 201

    5] Bericht u.a. in der französischen Wochnzeitung Le Nouvel Observateur vom 9.1.2016 : In den vom U.S. Senat veröffentlichten E-Mails der Außenministerin Hillary Clinton wird Lévy als Gesandter des französischen Präsidenten bezeichnet (nicht ohne Spot über diesen „selbsternannten Lawrence von Arabien“ , der wie in Woody Allens Film „Zelig” immer neben Sakozy und Cameron auftauche.)

    6] Der Franc CFA wird von der französischen Zentralbank verwaltet – ohne jede reale Mitsprache der afrikanischen Länder – und ermöglicht seit über einem halben Jahrhundert den billigen Zugriff auf die für Frankreich und Europa lebensnotwendigen Rohstoffe.

    7] Verschiedene Quellen berichten, dass französische Kampfflugzeuge nicht nur die Autokolonne des fliehenden Gaddafi beschossen und damit den islamistischen Milizen am Boden den Weg zu seiner Ermordung gewiesen haben, sondern dass sie auch die Wohnung seines Geheimdienstchefs al-Senoussi mit Raketen zerstörten. Senoussi, der ein zentraler Zeuge bei den Deals zwischen Frankreich und Libyen ist, hatte aber die Wohnung bereits verlassen und lebt.

    8] Mediapart hat seit seiner Gründung vor zehn Jahren über 60 Recherchen und Hintergrundberichte sowie entscheidende bis dahin geheim gehaltene Dokumente veröffentlicht. Das Buch dazu: Fabrice Arfi, Karl Laske AVEC LES COMPLIMENTS DU GUIDE, Sarkozy-Khadafi, l’histoire secrète, Fayard, 400 Seiten.

    9] Report by the forreign affairs select commitee, 14. September 2016: Libya: Examination of intervention and collapse and the UK’s future policy options.

    10] Auch auf Bechir Saleh ist inzwischen in Johannesburg ein Attentat verübt worden, das er nur knapp und in kritischem Zustand überlebt hat.

    11] Pierre Marziali, ehemaliger französischer Militär hatte eine private Militärfirma gegründet, von denen es einige hundert im Umfeld von Kriegshandlungen gibt. Ein Freund und Kollege Marzialis, Robert Dulas, glaubt, dass es eine Auftrags-Hinrichtung war, ausgeführt von vermummten Männern der Brigade 17 des Kommandeurs Abdelhakim Belhadj (s.o.). Sein Buch „Mort pour la Francafrique“ versucht das, zusammen mit einer Journalistin, zu dokumentieren. Die Witwe von Marziali hat bei der Staatsanwaltschaft Narbonne Anzeige gegen Unbekannt erstattet – wegen Mordes.

    12] Der Internationale Gerichtshof in Den Haag wollte Abdallah Senoussi den Prozess machen, doch die Libyer geben ihn nicht her. Jetzt soll er von einem libyschen Gericht verurteilt werden.

    13] Präsident Macron wie auch andere europäische Regierungen setzen jetzt auf den libyschen General Khalifa Haftar, um die Früchte des Krieges von 2011 zu ernten. Haftar hat im Osten des Landes seine eigene Nationale Libysche Armee (ANL) gegründet, mit der er gegen den islamistischen Terrorismus kämpft aber auch gegen andere Fraktionen und Milizen im Rest Libyens. Macron zeigte sich demonstrativ mit Haftar in herzlicher Umarmung beim französisch-libyschen Gipfeltreffen in Saint Cloud; da waren die Klagen von Flüchtlingen aus Libyen gegen den General wegen Folter, willkürlichen Erschiessungen und Terrorismus gegen die Bevölkerung bei der französischen Generalstaatsanwaltschaft noch nicht eingegangen. Der selbsternannte Generalfeldmarschall, der „keine Gefangenen macht (…), weil es zu wenige Gefängnisse gibt“ wird inzwischen auch vom Internationalen Gerichtshof in Den Hag (CPI ) der Kriegsverbrechen verdächtigt.
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